Merkel bricht ihr Schweigen zum Angriffskrieg Russlands
ProSieben
Als Bundeskanzlerin außer Dienst will Angela Merkel keine Kommentare von der Seitenlinie abgeben. Doch nun hat sie ihr Schweigen zum Krieg in der Ukraine gebrochen - einen Namen erwähnt sie dabei nicht.
In ihrer ersten Rede seit rund einem halben Jahr hat die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Angriff auf die Ukraine als Zäsur bezeichnet. «Meine Solidarität gilt der von Russland angegriffenen, überfallenen Ukraine und der Unterstützung ihres Rechts auf Selbstverteidigung», sagte Merkel am Mittwochabend in Berlin. Nach monatelanger öffentlicher Zurückhaltung hielt Merkel beim Abschied des langjährigen DGB-Chefs Reiner Hoffmann vor mehr als 200 Gästen die Laudatio.
Sie wolle als Bundeskanzlerin außer Dienst keine Einschätzungen von der Seitenlinie abgeben. Doch sie könne die bereits vor längerer Zeit zugesagte Rede nicht halten, ohne auf den Krieg einzugehen. Zu sehr markiere der Angriff Russlands auf die Ukraine, dieser eklatante Bruch des Völkerrechts, «eine tiefgreifende Zäsur» in der Geschichte Europas, sagte sie.
Merkel betonte, «dass ich alle Anstrengungen der Bundesregierung sowie der Europäischen Union, der Vereinigten Staaten von Amerika, unserer Partner in der G7, in der Nato und in der Uno unterstütze, dass diesem barbarischen Angriffskrieg Russlands Einhalt geboten wird». Die Größe und Schwere dieser Herausforderung könne sie ganz gut erahnen.
«Schon die Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 90er Jahren haben uns vor Augen geführt, wie fragil unsere Friedensordnung ist», sagte Merkel. Auf ihre eigene Politik als Kanzlerin gegenüber Russland und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ging Merkel nicht ein. Ihre Amtszeit dauerte von 2005 bis 2021. Putin erwähnte sie bei ihrem Auftritt am Abend nicht.
Wie weitreichend die Folgen des Kriegs sein würden, könne seriös noch niemand einschätzen. «Doch dass sie weitreichend sind, das steht außer Frage - vorneweg für die Ukraine, für die Ukrainerinnen und Ukrainer, die so sehr unter den Angriffen Russlands leiden müssen.» Viele seien verletzt und getötet worden. «Butscha steht stellvertretend für dieses Grauen», sagte Merkel mit Blick auf die Erschießungen in der Stadt westlich von Kiew. Die frühere Kanzlerin machte aber auch deutlich, dass die Auswirkungen auch über die Ukraine hinaus spürbar sind: Merkel erwähnte auch steigende Energiepreise und drohende Hungersnöte in Afrika.