
Menschenrechtstribunal erregt Zorn Teherans
DW
Iranische Aktivisten wollen hochrangige Funktionäre wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anklagen. Sie berufen sich auf das Weltrechtsprinzip.
Auf eine virtuelle Veranstaltung für die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen im Iran hat Teheran mit Empörung reagiert. Das von den drei Organisationen "Justice for Iran", "Iran Human Rights (IHR)" und "Ensemble contre la peine de mort, ECPM (Gemeinsam gegen die Todesstrafe)" organisierte Tribunal in London sei "eine toxische Aktion gegen den Iran gewesen", schimpfte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Saeed Khatibzadeh am Montag gegenüber der Presse. Man habe sich bei der britischen Regierung beschwert. Diese solle solche Veranstaltungen verhindern.
Die drei Menschenrechtsorganisationen hatten Betroffene und Augenzeugen aus dem Iran eingeladen, bei dem virtuellen Tribunal auszusagen. Konkret ging es um die Massenproteste im November 2019 und die Frage, ob die Machthaber bei der Unterdrückung der Proteste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.
Insgesamt seien gegen 160 hochrangige Funktionäre der Islamischen Republik schwere Vorwürfe erhoben worden, teilt Mahmoud Amiri Moghaddam, der Direktor der Organisation "Iran Human Rights (IHR)" im Gespräch mit der Deutschen Welle mit. Auch Staatsoberhaupt Ayatollah Chamenei und Präsident Raisi sind unter den Beschuldigten. Sie sollen unter anderem paramilitärischen Truppen befohlen haben, auf die Menschen zu schießen, die sich nach der plötzlichen Erhöhung der Benzinpreise auf den Straßen versammelt hatten. "Wenn die Jury sie schuldig spricht, dann könnten sie außerhalb des Irans vor Gericht gestellt und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden", sagt Moghaddam.
Eine sechsköpfige Jury soll die Aussagen von insgesamt 275 Zeugen bewerten und beurteilen. Der Jury gehören an: Carla Forstmann, Expertin der UN-Antifolterkonvention; Wayne Jordash, internationaler Menschenrechtsanwalt mit Erfahrung beim Internationalen Strafgerichtshof; Nursyahbani Katjasungkana, Anklägerin beim 2017 geschlossenen Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ("Haager Tribunal") ; Colleen Rohan, Anwältin mit Erfahrung in mehreren internationalen Tribunalen darunter ebenfalls das "Haager Tribunal"; Elham Saudi, Professorin für Völkerrecht und Leiterin der libyschen Organisation der MenschenrechtsverteidigerInnen; Zak Yakoob, Richter am Verfassungsgericht von Südafrika.
Das Tribunal sei nur ein erster Schritt, betont Mahmoud Amiri Moghaddam. "Wir wollen den Tätern deutlich machen, dass ihre Verbrechen Konsequenzen haben werden." Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht soll verhindern, dass Menschen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen begangen haben, staatliche Zuflucht außerhalb ihrer Heimatländer finden können. Dieses Prinzip fand unter anderem beim Koblenzer Prozess gegen einen früheren syrischen Geheimdienstoffizier Anwendung.