Meinung: Putins Pistole am Kopf der Ukraine
DW
Einen großen Krieg Russlands gegen die Ukraine wird es (noch) nicht geben. Der Westen macht sich zu viele Sorgen und spielt damit dem Kreml in die Hände. Eine andere Reaktion ist gefragt, meint Roman Goncharenko.
Seit russische Truppen in großem Stil an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren, fragt sich die westliche Welt, was Wladimir Putin will. Die Antwort gab in dieser Woche der russische Präsident persönlich. Bei einem Termin mit ausländischen Botschaftern am Mittwoch präzisierte der Kremlchef seine jüngsten Aussagen über "langfristige Sicherheitsgarantien" seitens des Westens.
Damit ist die Sache klar: Putin möchte, dass die NATO schriftlich auf eine künftige Erweiterung nach Osten verzichtet. Das würde bedeuten, dass sich die Ukraine und Georgien niemals unter ihren Schutzschirm begeben können, obwohl sie beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008 eine grundsätzliche Zusage bekommen haben. Putin hat damit auf der Karte Europas eine dicke rote Linie gezeichnet.
Die vorhersehbare Antwort aus Riga, wo sich die NATO-Außenminister an diesem Tag mit ihrem ukrainischen Kollegen trafen, kam prompt: Der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, betonte erneut, Russland habe kein Vetorecht.
Putin verlangt aber nicht nur, dass die NATO auf eine weitere Erweiterung nach Osten verzichtet. Auch bilaterale militärische Hilfen, welche die Verteidigungskraft der Ukraine steigern, sind ihm ein Dorn im Auge. Dabei geht es dem russischen Präsidenten offenbar nicht allein um das US-Panzerabwehrsystem Javelin, das die Ukraine bereits seit Jahren erhält, sondern um mögliche künftige Lieferungen. Kiew bittet beispielsweise bisher erfolglos bei den USA auch um Patriot-Flugabwehrraketen.
Die größte Sorge des Kremls ist derzeit jedoch die wachsende Stärke der ukrainischen Marine und ihre Übungen im Schwarzen Meer. So hat Kiew den gemeinsamen Bau von Kriegsschiffen und Booten mit der Türkei, Frankreich und Großbritannien vereinbart. Genauso wichtig ist der Deal über die Lieferung von britischen Raketen, mit denen sie bewaffnet werden könnten. Schließlich werden die türkischen Bayraktar-Angriffsdrohen, deren jüngster Einsatz gegen Separatisten im Donbass Empörung in Moskau ausgelöst hatte, auch von der ukrainischen Marine benutzt. Das alles, sowie Kiews Pläne, neue Marinestützpunkte zu errichten, führt zu immer mehr Unwohlsein in Moskau. Dabei wird die Ukraine nie in der Lage sein, kräftemäßig gegen die russische Armee oder Flotte zu bestehen.