Meinung: Noch kann Putins Krieg in der Ukraine scheitern
DW
Einen Monat nach dem Überfall Russlands sind Hoffnungsschimmer rar. Die wichtigste Erkenntnis lautet jedoch: Die Ukraine kann Putin stoppen, braucht aber mehr und schnellere Hilfe des Westens, meint Roman Goncharenko.
Vier Wochen, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Russlands Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist für Europa der bisher dunkelste Tag des 21. Jahrhunderts. Im Hagel russischer Bomben sterben seither Menschen, Freundschaften und Illusionen. Auch die alte Friedensordnung für den Kontinent ist tot. Wie die neue aussehen wird, entscheidet sich erst noch.
Eine erste Zwischenbilanz ist bitter. Dank umfangreicher US-Geheimdienstinformationen war dieser Krieg keine Überraschung. Allerdings haben die meisten westlichen Experten und auch die ukrainische Führung nur einen begrenzten Angriff in der Ostukraine und keinen Überfall im Stile Nazi-Deutschlands wie auf Polen 1939 erwartet.
Aus heutiger Sicht ist klar: Kiew hätte die Generalmobilmachung und Evakuierung von Menschen viel früher anordnen müssen. Diese Fehleinschätzung dürfte auch daran liegen, dass der bisherige Krieg, der mit der Krim-Annexion 2014 begonnen hatte, regional begrenzt blieb. Die meisten Menschen in der Ukraine hatten keine Ahnung, was es heißt, brutal bombardiert zu werden. Sie haben die Gefahr unterschätzt.
Man kann ihnen diesen Fehler schwer vorwerfen. Wir alle wollten nicht wahrhaben, dass Russlands Präsident Wladimir Putin und seine Armee zu einer solchen Barbarei fähig sind. Auch die Vorstellung, dass die meisten Russen diesen Krieg begrüßen würden, war für viele undenkbar. Diese traurige Erkenntnis möchte man selbst nach vier Wochen noch nicht akzeptieren.
In vielen ukrainischen und westlichen Analysen heißt es, Putins Blitzkrieg sei gescheitert. Moskau indes sagt, alles laufe nach Plan. Beides stimmt, allerdings laufen Kriege grundsätzlich nie wie es sich die Generale ausgedacht haben. Natürlich hat der Kreml mit einem schnelleren Sieg und weniger eigenen Verlusten gerechnet. Doch es fällt schwer daran zu glauben, dass Putin tatsächlich mit einer Kapitulation innerhalb weniger Tagen gerechnet hat. Dafür ist die Ukraine einfach zu groß.