Meinung: Mit Spielabbruch klare Kante gegen Rassismus gezeigt
DW
Mit dem Abbruch des Drittligaspiels in Duisburg beweisen alle Beteiligten jene Konsequenz im Kampf gegen Rassismus, die der DFB zuweilen hat vermissen lassen, meint Stefan Nestler.
DFB-Schiedsrichter Nicolas Winter hat mit dem ersten Spielabbruch wegen eines Rassismus-Vorfalls in der Geschichte des deutschen Profifußballs ein deutliches Zeichen gesetzt. Nachdem Aaron Opoku, 22 Jahre alter Spieler des Drittligisten VfL Osnabrück, im Spiel beim MSV Duisburg von der Tribüne aus mit Affenlauten beleidigt worden war, unterbrach Winter sofort das Spiel. Die Mannschaften verließen das Feld. Nachdem Winter in der Kabine mit dem völlig fertigen Opoku sowie Vertretern beider Teams gesprochen hatte, entschied er, die Partie nicht fortzusetzen. Alle, er selbst eingeschlossen, seien geschockt gewesen, sagte Winter und sprach von einem "traumatischen" Ereignis "in eh schon schwierigen Zeiten".
Der Schiedrichter hat konsequenter gehandelt, als er es dem Reglement nach hätte tun müssen. Seit 2017 hält der Fußballweltverband FIFA alle Mitgliedsverbände, also auch den DFB, an, im Falle rassistischer oder diskriminierender Vorfälle eine "Drei-Schritte-Prozedur" einzuleiten: Der Referee soll zunächst das Spiel unterbrechen und den Stadionsprecher zu einer Durchsage auffordern. Bei weiteren Vorfällen soll er die Teams vorübergehend in die Kabinen schicken. Fruchtet auch dies nicht, hat er die Partie abzubrechen.
Nach dem Vorfall in Duisburg entschied sich Winter gleich nach Schritt eins für den finalen Schritt. Und er tat gut daran. Denn so wurde auch dem Allerletzten im Stadion klar, dass bei Rassismus null Toleranz gilt, ohne Wenn und Aber. Dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) war in der Vergangenheit zu Recht vorgeworfen worden, sich trotz seiner Bekenntnisse gegen Rassismus bei einigen konkreten Vorfällen nicht konsequent genug verhalten zu haben. Rassismus-Experten wie Gerd Wagner von der Koordinationsstelle Fanprojekte hatten schon lange einen Spielabbruch im Profibereich als Präzedenzfall angemahnt.
Nun ist er da. Nicht nur der Schiedsrichter hat sich vorbildlich verhalten, auch die beiden Vereine, indem sie sich solidarisch mit Opoku erklärten und nicht weiterspielten - und die Fans auf den Rängen des Duisburger Stadions: Sie identifizierten den mutmaßlichen Urheber der rassistischen Rufe, gegen ihn läuft jetzt eine Anzeige der Polizei. Außerdem skandierten Anhänger beider Klubs: "Nazis raus!". Über die Stadionlautsprecher wurde das Lied "Schrei nach Liebe" gespielt, ein Anti-Neonazi-Song der deutschen Popband "Die Ärzte", in dem es unter anderem heißt: "Du bist wirklich saudumm. (…) Alles muss man dir erklären, weil du wirklich gar nichts weißt."
So traurig jeder Rassismus-Vorfall ist, die geschlossene Reaktion beim Drittliga-Spiel in Duisburg macht Mut: Den Rassisten wurde klar signalisiert, dass sie weder im Fußball etwas zu suchen haben noch sonst wo. Zu hoffen bleibt, dass beim möglichen nächsten Vorfall dieser Art in der Bundesliga genauso konsequent reagiert wird wie jetzt in der dritten Liga. Das ist die echte Nagelprobe dafür, wie ernst es der DFB mit dem Kampf gegen Rassismus meint.