Meinung: Kann die NATO Osteuropa schützen?
DW
Die NATO kann ihre osteuropäischen Mitglieder vielleicht vor einer Aggression Russlands bewahren - aber nicht vor ihren internen Problemen. Diese werden immer größer und gefährlicher, warnt Sabina Fati.
14 Mal wird Russland im neuen Strategischen Konzept der NATO erwähnt, China elf Mal. Dass beide Länder und erst recht eine mögliche Allianz zwischen Moskau und Peking so sehr im Mittelpunkt stehen, das verdeutlicht die künftigen Risiken, welche die NATO-Länder sehen und auf die sie sich zwingend vorbereiten müssen.
Die Ostflanke des Bündnisgebietes wird auf gleich mehrere Arten gestärkt: So werden Polen und Rumänien zu wesentlichen Säulen der NATO im Osten Europas aufgewertet. Truppen, die unter direktem Kommando der USA stehen, werden in die Region verlegt, um Russland einzudämmen. Darüber hinaus bleibt die NATO für weitere neue Mitglieder offen und bezeichnet den Westbalkan und das Schwarze Meer jetzt als "strategisch wichtig".
Im neuen Strategischen Konzept wird betont, dass die NATO die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Integrität einzelner Bündnismitglieder nicht mehr wirklich ausschließen könne. Das Dokument beschreibt den Abgrund, an dessen Rand nicht nur die Europäer stehen: Syrien und Russland haben bereits in ihrer jüngsten Geschichte Chemiewaffen eingesetzt, China und der Iran entwickeln im Geheimen Nuklearkapazitäten, und gefährliche nicht-staatliche Akteure bewaffnen sich weiterhin.
Jenseits dieses deprimierenden Gesamtbildes, das im neuen Strategischen Konzept beschrieben wird, gibt es eine Reihe von Gefahren, die aus dem Inneren der NATO-Staaten selbst kommen. Die Allianz scheint sie im Moment noch nicht ernst zu nehmen. Einige NATO-Länder haben schwerwiegende Loyalitätsprobleme gegenüber den euro-atlantische Grundwerten. Politische Instabilität in diversen Mitgliedsländern schaden der Geschlossenheit der Allianz, und der Balkan taumelt weiter unter der Last der historisch gewachsenen Feindschaften in der Region.
So kann die NATO vielleicht Rumänien und Polen vor einer Aggression Russlands schützen, nicht aber vor dem Übel, dass sich diese Länder selbst zufügen: In beiden östlichen EU- und NATO-Mitgliedsstaaten ist die Justiz klar der Politik untergeordnet. Doch über dieses Übel, das den Rechtsstaat zerrüttet, wird hinweggesehen - wegen der unentbehrlichen Hilfe Rumäniens und Polens für die Ukraine und die ukrainischen Flüchtlinge.