
Meinung: Draghis Rücktritts wäre ein Desaster für die EU
DW
Es geht um mehr als die Stabilität Italiens. Der Abschied von "Super Mario" wäre nicht nur ein Geschenk für Putin. Er würde auch die EU, den Euro und die Ukrainepolitik gefährden, meint Barbara Wesel.
Italien leistet sich wieder einmal eine Regierungskrise. Das könnte man unter Sommertheater abbuchen, nur dass dieses Mal mehr auf dem Spiel steht. Wenn der Chef der abgehalfterten 5-Sterne-Partei tatsächlich Premier Mario Draghi in den Rücktritt treibt, geht es um mehr als die Stabilität des Landes.
Eine ernste Krise in Italien gefährdet die Europäische Union, die derzeit durch den Krieg in der Ukraine, durch Energienot und Inflation unter Druck steht. Das letzte, was Europa gerade braucht, ist Instabilität in Rom mit den bekannten Folgen für den Euro und ein Ende der gemeinsamen Ukrainepolitik.
Man kann italienische Oper mit all ihrem Pathos und Drama lieben, muss es aber nicht. Das gleiche gilt für die endlose Folge italienischer Regierungskrisen - vorzugsweise in der Sommerpause. Wie das derzeitige Polittheater in Rom ausgeht, ist ungewiss.
Es gibt noch eine Chance auf Rettung in letzter Minute. Aber im Prinzip will Premier Mario Draghi seine Regierung der Nationalen Einheit nur fortführen, wenn alle bisherigen Koalitionspartner an Bord bleiben. Und damit wird's gefährlich für uns alle.
Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, auch "Super Mario" genannt, gilt in Europa als Retter der italienischen Stabilität, führte das Land aus der Corona-Krise und legte einen Reformplan für die italienische Wirtschaft vor, der über 100 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbau-Fonds in die Staatskasse bringen soll. In Brüssel setzte man darauf, dass Draghi bis zu turnusmäßigen Neuwahlen im nächsten Frühjahr im Amt bleiben würde, wenn in der EU das Gröbste überstanden wäre.