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Meinung: Brasilien driftet in eine gefährliche Richtung
DW
Jair Bolsonaro holt bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien deutlich mehr Stimmen als vorhergesagt. Lula da Silva geht zwar favorisiert in die Stichwahl, doch das sei kein Grund zum Jubeln, meint Philipp Lichterbeck.
Obwohl der ultrarechte Präsident Jair Bolsonaro nach dem ersten Wahlgang rund fünf Prozent hinter seinem linken Herausforderer Lula da Silva liegt, hat er mit 43 Prozent weitaus besser abgeschnitten als es die Meinungsforscher vorausgesagt hatten. Für diese stellt der Wahlausgang ein Desaster dar und öffnet rechten Verschwörungsmythen von gefälschten Umfrageergebnissen zugunsten der Linken Tür und Tor.
Auch die Medien müssen sich fragen lassen, wieso sie die Narrative vom weit abgeschlagenen Bolsonaro immer weitergesponnen haben, obwohl dessen Mobilisierungspotential auf seinen Demonstrationen im ganzen Land offensichtlich wurde. Sie haben damit, wenn auch unabsichtlich, das Misstrauen gegenüber den traditionellen Medien weiter verstärkt.
Selbst wenn man nach der derzeitigen Wahl-Arithmetik davon ausgehen kann, dass Lula da Silva im zweiten Wahlgang in drei Wochen gegen Bolsonaro gewinnen wird, so wird er es mit einem äußerst rechten und widerspenstigen Kongress zu tun bekommen.
Dort werden nun die vielen neuen Senatoren und Abgeordneten, die zu Bolsonaros Bewegung gehören, alles daransetzen, jedes Vorhaben von Lula zu torpedieren.
Lula wollte Brasilien wieder umweltfreundlicher und internationaler machen. Er wollte die Bildung, die Kultur und die Wissenschaft stärken, die Ureinwohner besser schützen und Schwarzen und Unterprivilegierten mehr Chancen und Rechte geben. Doch dabei wird der neue Kongress kaum mitspielen. Die Rechte, die im neuen Kongress den Ton angeben wird, will etwas völlig anderes: Sie will den Waffenbesitz weiter erleichtern, noch mehr Militärschulen voller Zucht und Ordnung schaffen, den Amazonaswald rücksichtsloser ausbeuten und die evangelikalen Kirchen stärken. Sexuellen Minderheiten sollen keine weiteren Rechte zugestanden werden und es sollen auch keine Quoten für Schwarze ausgeweitet werden.