Mein letzter Tag in Kabul war der schlimmste meines Lebens
Die Welt
Die Journalistin Zainab Farahmand ist in einem überfüllten Militärflugzeug aus Kabul entkommen. Sie hat alles zurückgelassen, konnte sich nicht richtig von ihrer Familie verabschieden. Hier berichtet sie von ihrer Flucht – und fasst in Worte, was den Frauen, die zurückblieben, nun droht.
Schon seit Monaten hatte ich Alpträume. Vor allem in den letzten Nächten, in denen Flugzeuge über Kabul flogen und es jeden Tag Berichte gab, dass immer mehr Provinzen in die Hände der Taliban gefallen seien. Am frühen Morgen meines letzten Tages in Kabul verließen meine Schwester und ich das Haus, um zur Bank zu gehen. Doch die Filialen waren entweder geschlossen oder hatten nicht genug Bargeld. Wir mussten bis zur Zentrale der Azizi-Bank; als wir dort ankamen, war auch sie seit 9.30 Uhr geschlossen, weil es kein Geld mehr gab. Meine Schwester und ich beschlossen, zu Fuß zu gehen. Die Zeit wurde knapp. Ich trug normale Kleidung und dachte: „Was, wenn sie mich deshalb anhalten – oder weil sie mich erkennen?“ Seit meinem Studium arbeite ich als Journalistin und Korrespondentin. Die Taliban akzeptieren keine Frauen, die in der Gesellschaft aktiv sind oder eine Stimme haben. Was ich sage oder denke, passt ihnen nicht. Deshalb bin ich in Gefahr. Auf dem Heimweg erhielt ich einen Anruf von einem Freund und Kollegen aus Deutschland, dass ich so schnell wie möglich zum Flughafen müsste.More Related News