Mein Europa: Was hat Kroatiens Präsident gegen Bosnien?
DW
Bosnien und Herzegowina wird immer mehr zum Spielball von Extremisten. Kroatische und serbische Nationalisten haben eine unheilige Allianz gebildet, die EU setzt auf Appeasement und spielt damit Russland in die Hände.
Kroatiens Präsident Zoran Milanovic liebt den Angriffsmodus. Vor allem, wenn es um Bosnien und Herzegowina geht, kennt er kein Pardon. Mitten in der Corona-Pandemie verhöhnte Milanovic das Nachbarland im Dezember 2020 mit unverhohlener Verachtung: Erst müsse man in Bosnien "Seife" anwenden, dann "Parfüm" - mit anderen Worten: Das multi-ethische Land bedürfe einer Säuberung. Diese rassistischen Töne fernab jeder diplomatischen Zurückhaltung kommen wohl gemerkt aus einem EU-Mitgliedsland. Kritiker sprachen gar von NS-Jargon.
Ende Dezember 2021 legte Milanovic nach. Diesmal knöpfte sich das Staatsoberhaupt des Adrialandes ein sensibles Kapitel bosnischer Geschichte vor: den Genozid von Srebrenica. Im Juli 1995 waren hier mehr als 8300 muslimische Jungen und Männer von serbischen Truppen ermordet wurden - die Gewaltexzesse waren der traurige Höhepunkt ethnische Vernichtungspolitik im Bosnienkrieg 1992-95.
Für den kroatischen Präsidenten weist der Massenmord in Srebrenica lediglich "Elemente eines Genozids" auf. Ohnehin sei der Genozid-Begriff "kautschukweich", so Milanovic, ganz so, als gebe es im Völkerrecht keinerlei Kriterien für Verbrechen, die zum Ziel haben, ethnische oder religiöse Gruppen auszulöschen. Angesichts der unzähligen Richtersprüche im Zusammenhang mit den in Srebrenica begangenen Verbrechen, angesichts der Masse an dokumentierten Zeugenaussagen vor dem Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) sind diese Aussagen ein handfester Skandal.
Milanovics Einlassungen sind Ausdruck einer breiten Verweigerungshaltung Kroatiens im Umgang mit der Vergangenheit. Gekonnt verdrängt das jüngste EU-Mitgliedsland vor allem die eigene Rolle im Bosnienkrieg. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Aggressionspolitik des verstorbenen Staatspräsidenten Franjo Tudjman, der sich mitten im Krieg gegen Serbien 1991 mit seinem serbischen Counterpart Slobodan Milosevic auf eine Teilung Bosniens verständigte, hat bis heute nicht stattgefunden.
Und auch die Zeit des faschistischen Ustascha-Regimes, das im Zweiten Weltkrieg an der Seite von Nazi-Deutschland Verbrechen beging, wird in Kroatien offiziell kaum thematisiert. Revisionistische Geschichtsumdeutungen sind dagegen weit verbreitet: So wird das EU-Land in einem 2019 veröffentlichten internationalen Report von Wissenschaftlern der Yale-Universität zum Holocaust-Revisionismus an vorderster Stelle genannt.