
Mein Europa: Tauziehen um Bosnien
DW
Die bosnischen Serben werden sich nicht abspalten, und es wird auch keinen neuen Krieg um Bosnien und Herzegowina geben. Trotzdem muss die EU-Westbalkanpolitik endlich wieder auf die Beine kommen.
In sechs Monaten will sich die bosnische Teilrepublik Srpska aus den Institutionen des gemeinsamen Staates zurückziehen, sogar aus der Armee. So hat es das Parlament der bosnischen Serben beschlossen. Seither herrscht Alarmstimmung auf den Rängen: Wird Milorad Dodik, der starke Mann der serbischen Nationalisten in Bosnien und Herzegowina, der Ankündigung Taten folgen lassen? Was ist das Ziel? Beginnt eine Eskalation? Gibt es wieder Krieg?
Diese Fragen sind alle falsch gestellt. Pläne, Ziele, Durchbrüche, selbst einander sich aufschaukelnde Emotionen sind dem Politikmodell, wie es sich in Bosnien in den 25 Jahren seit Ende des Krieges entwickelt hat, wesensfremd. Die Parteien gehen in Trippelschritten vor und zurück, der Abstand zwischen ihnen bleibt immer gleich. Es ist das Prinzip des Tauziehens. Beständig ziehen, keinen Dezimeter nachgeben, die Füße fest in den Boden rammen: Die grundlegenden Techniken der Sportart, die der Politik in Bosnien das Muster vorgibt, sind überschaubar.
Wer diese Techniken beherrscht, ist für die Politik in und um Bosnien gerüstet. Anders als beim Sport allerdings gibt es in der dortigen Politik keine Markierung, die anzeigt, wann einer gewonnen hat. Der Wettkampf geht einfach immer weiter.
Mannschaften werden beim Tauziehen sinnvollerweise nach einem klaren Prinzip aufgestellt. Vorne, Auge in Auge mit dem Gegner, steht der Schwächste, der aber möglichst bedrohlich die Zähne fletschen sollte. Milorad Dodik, serbisches Mitglied im dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidium, ist für diese Position die ideale Besetzung: Er hat weder politisch noch wirtschaftlich großes Gewicht - aber einen schlimmen Ruf als Provokateur und nationalistischer Hardliner.
Als sein Pendant steht auf der anderen Seite ganz vorne der neue Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, der Deutsche Christian Schmidt. Er ist unerfahren, landesunkundig und verfügt über keinen Rückhalt, weder im formal für Bosnien und Herzegowina zuständigen Peace Implementation Council, noch im UN-Weltsicherheitsrat, nicht einmal in der Diplomatie seines eigenen Landes, die sich nach dem Machtwechsel in Berlin gerade erst wieder sammelt.