Mars: Doch kein flüssiges Wasser am Südpol? Forschende sprechen von „staubiger Illusion“
Frankfurter Rundschau
Zwei ältere Studien wollen flüssiges Wasser am Südpol des Mars gefunden haben – doch nun zeigen Forschende eine viel plausiblere Theorie auf.
Austin – Gibt es unter dem Eis am Südpol des Mars flüssiges Wasser? 2018 veröffentlichte ein italienisches Forschungsteam seinen Fund im Fachjournal „Science“: 1,5 Kilometer unter dem Eis des Mars-Südpols wollten die Forschenden einen großen See, bestehend aus flüssigem Wasser gefunden haben. Die Erkenntnis basierte auf Radarbeobachtungen mit der europäischen Raumsonde „Mars Express“. Der Fund stieß auch auf Skepsis, wurde jedoch zwei Jahre später von einer weiteren Studie untermauert: Mithilfe des Radar-Echolots „Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionosphere Sounding“ (MARSIS), das sich an Bord von „Mars Express“ befindet, bestätigten die Forschenden ein komplexes System aus mehreren Seen unter dem Südpol des Mars.
Doch nun macht eine neue Studie, die im Fachjournal Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde, die Hoffnung der Forschenden auf flüssiges Wasser knapp unter der Oberfläche des Mars zunichte. „Damit sich Wasser so nahe an der Oberfläche halten kann, braucht man sowohl eine sehr salzhaltige Umgebung als auch eine starke, lokal erzeugte Wärmequelle, aber das passt nicht zu dem, was wir über diese Region wissen“, erklärt der Hauptautor der neuen Studie, der Planetenforscher Cyril Grima (Institut für Geophysik der Universität Texas). Grima und sein Team legten eine simulierte, eine Meile (etwa 1,6 Kilometer) dicke Eisschicht über Radaraufnahmen vom Mars und konnten sich so die Oberfläche des Planeten anschauen, als wäre er unter einer dicken Eisschicht vergraben.
Dabei entdeckten die Forschenden um Grima helle Reflektionen wie die, die 2018 und 2020 am Südpol des Mars gefunden wurden und Grundlagen der entsprechenden Studien waren. Sie tauchten jedoch nicht nur am Südpol auf, sondern verteilt über den gesamten Planeten. Und die Reflektionen hatten eine Gemeinsamkeit: Sie stimmten mit der Lage von Vulkanebenen überein.
Auf der Erde können eisenhaltige Lavaströme Felsen hinterlassen, die das Radar in ähnlicher Weise reflektieren. Deshalb gehen die Forschenden um Grima davon aus, dass ihre Vorgänger in den Jahren 2018 und 2020 keine salzhaltigen Seen am Südpol des Mars entdeckt haben, sondern vulkanisches Gestein, das unter dem Eis verborgen ist. Eine andere Möglichkeit seien Mineralvorkommen in ausgetrockneten Flussbetten, heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Darin ist auch von einer „staubigen Illusion“ die Rede.
Isaac Smith, ein Mars-Geologe, der an keiner der Mars-Studien beteiligt war, hat 2021 herausgefunden, dass irdischer Lehm Radar ähnlich reflektiert wie die hellen Stellen, die die Studie aus dem Jahr 2018 unter dem Südpol des Mars gefunden hatte. Er geht deshalb davon aus, dass die hellen Radar-Signaturen eine Art Lehm sind, der entstand, als Steine in Wasser erodierten. Deshalb kann er der Studie von Grima auch etwas Positives abgewinnen: „Ich denke, das Schöne an Grimas Entdeckung ist, dass sie zwar die Idee verwirft, dass es heute flüssiges Wasser unter dem Südpol des Planeten geben könnte, aber sie gibt uns auch die Möglichkeit, sehr genau nach Beweisen für alte Seen und Flussbetten zu suchen und Hypothesen über die allgemeine Austrocknung des Marsklimas über Milliarden von Jahren zu testen“, wird Smith in einer Mitteilung der University of Texas at Austin zitiert.