Markus Söder bei Lanz (ZDF): „Putin hat uns alle belogen“
Frankfurter Rundschau
Haben sich die CSU und ihr Vorsitzender Markus Söder zu lange Russland-freundlich verhalten? Markus Lanz mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und weiteren Gästen.
Berlin - Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die deutschen Talkshows weiterhin fest in Griff. Bei ZDF-Moderator Markus Lanz nimmt deshalb der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder Stellung zum Verhältnis seiner Partei und der deutschen Politik zu Russland und dem Präsidenten Wladimir Putin. Daneben nimmt die Politologin Daniela Schwarzer, die Direktorin für Europa und Eurasien der Open Society Foundations, teil und analysiert die internationalen diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Ukraine-Konflikts. Zugeschaltet wird die ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf, die aus dem ukrainischen Krisengebiet berichtet. Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratscher komplettieren die Runde am Dienstagabend bei Markus Lanz. Zu Beginn der Sendung spricht Markus Lanz mit Katrin Eigendorf, die aus der südukrainischen Hafenstadt Odessa zugeschaltet wird, über die Stimmung in der ukrainischen Zivilbevölkerung. Dabei fragt Lanz seine Kollegin Eigendorf, ob in der Zivilbevölkerung nicht möglicherweise die Verteidigung der Ukraine, die viele Menschenleben koste, mittlerweile als sinnlos und zu verlustreich abgelehnt werde? Dies kann die ZDF-Reporterin jedoch klar verneinen: „Der große Teil der Ukrainer:innen möchte nicht unter einer russischen Diktatur leben und dafür sind sie bereit, in diesem Krieg einzustehen“, zeichnet Eigendorf das Bild einer gefestigten zivilgesellschaftlichen Position in der Ukraine. „Der Wille ist ungebrochen!“
Andererseits wachse auf der Gegenseite auch die Ablehnung gegen den Überfall Russlands auf die Ukraine: SWP-Russlandexpertin Sabine Fischer macht dies an der russischen Journalistin Marina Owssjannikowa fest, die in einer Live-Nachrichten-Sendung gegen das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin protestierte. Für Fischer ist das Video „der Alptraum der russischen politischen Führung“: „Das ist die Mehrheit, die Wladimir Putins Vorgehen bisher unterstützt hat und irgendwann einfach umdenken könnte“, zeichnet Fischer das Bild einer russischen Zivilgesellschaft, deren Meinung sich möglicherweise gegen Wladimir Putin wenden könnte: „Dieser Krieg hat einen riesigen Schock in der Gesellschaft ausgelöst und die Menschen haben immer mehr Angst“, sagt Fischer. Die Propaganda Putins laufe nun seit 15 Jahren und zwinge die Menschen, die nicht damit einverstanden sind, immer stärker dazu, in die innere und äußere Emigration ausweichen zu müssen.
Der aus München zugeschaltete bayerische Ministerpräsident Markus Söder betont: „Putin hat alle belogen.“ Damit, dass sich Russland auf dem Weg einer Diktatur befinde, habe in dieser Form niemand gerechnet. „Putin hat seine eigene Kraft überschätzt. Ob er auf lange Sicht den Krieg gewinnt? Das glaube ich nicht“, legt sich Söder im Gespräch fest. Doch Markus Lanz fragt den Ministerpräsidenten auch, ob auch er und seine Partei CSU nicht viel zu lange zu russlandfreundlich agiert hätten. Auch Markus Söder war kurz vor der Corona-Pandemie noch bei Putin zu Gast gewesen: „Es war ein höfliches Gespräch, ich habe auch kritisches angesprochen, mehr ist dabei jedoch nicht herausgekommen.“ Die Politologin Daniela Schwarzer sieht zwar, dass Putin in Energiethemen ein verlässlicher Partner war: „Man hat Putin aber zu lange damit nicht ernst genommen, dass er eine Vision darlegt, die er mit dem Krieg in der Ukraine nun weiter verfolgt.“
Es wird jedoch seitens Markus Lanz‘ Kritik an der bayerisch-russischen Freundschaft der CSU laut, die Mitunter durch einen gemeinsamen Besuch der ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (seinerseits ehemaliges Mitglied des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums) sowie Horst Seehofer dokumentiert wurde. Und auch Daniela Schwarzer bemängelt die „Unwilligkeit der Politik, das Worst-Case-Szenario tatsächlich zu durchdenken“. Man habe zu lange daran geglaubt, dass Putin nicht die Ukraine angreifen werde.
Markus Söder betont, dass er Horst Seehofers damaligen Russland-Besuch zu Zeiten des russischen Bombardements auf Aleppo nicht verteidigen müsse. Er stellt dennoch fest: „Seehofer hat sich damals geirrt, dies aber auch anerkannt. Und dennoch ist es auch im Interesse Deutschlands, keine extremen Konflikte mit Russland auszutragen und immer miteinander zu reden.“ Man habe in der Hoffnung, dass alle Beteiligten rationale Entscheidungen träfen, versucht, miteinander zu reden. „Wenn das jedoch nicht der Fall ist, muss man sich entscheiden und handeln. Und das haben wir in Deutschland gemacht.“ Und so bekräftigt Markus Söder bei Markus Lanz im ZDF: „Der Satz ‚Wir sind alles Ukrainer‘ bedeutet, dass wir emotional und politisch auf der Seite der Ukraine stehen.“