Marianne Hoppe und Ödön von Horváth 1933 – „Raus, nichts wie raus“
Frankfurter Rundschau
Von bruchloser Anpassung und vagen Gedanken an eine Alternative: Die Schauspielerin Marianne Hoppe, der Dichter Ödön von Horváth, die Liebe und der Machtwechsel von 1933. Aus dem neuen Buch von Peter Michalzik.
Am 31. Januar 1933, also einen Tag nach der Ernennung Hitlers, hatte an den Münchner Kammerspielen „Das schwedische Zündholz“ Premiere: Der Komödiendichter Albert Wendel malt sich in diesem Lustspiel die Verlobung mit dem schwedischen Fräulein Birgitt aus. Marianne Hoppe war dieses „schwedische Zündholz“ Birgitt, Therese Giehse das gewitzte Hausmädchen Johanna, das kräftig mitmischt. War es an diesem Lustspielabend so, wie man es sich im Nachhinein vorstellt: erregte Diskussionen zwischen den Schauspielern, eine allgemeine Atmosphäre von Verunsicherung, ein Anflug von Angst, ein erregtes, nervöses Publikum? Und dazu einzelne, die wegen der Machtergreifung tief befriedigt waren? Oder war alles normal, ein Abend wie jeder andere, der erst später in der Rückschau eine solche Bedeutung gewann?
Marianne Hoppe, damals 23 Jahre alt, konnte sich – viel später – nicht mehr konkret erinnern. „Nach der Premiere des ,Schwedischen Zündholz‘ haben wir vor den Kammerspielen im Gläsernen Eck gesessen. Wahrscheinlich haben wir darüber geredet. Es gibt sicher Leute, die politisch ... Ich meine, ich habe meine politische Stellung schon gewusst, aber gehandelt habe ich leider nicht. Ich hatte viel zu tun und habe meinen Kram gemacht, und das, was ich eben nicht machen wollte, was mir da dubios erschien, habe ich eben nicht gemacht.“
Sie konnte sich also vor allem daran erinnern, im Gläsernen Eck gewesen zu sein. Sie äußerte eine ungewisse Vermutung über sich selbst. Alles weitere sind allgemeine Erwägungen, die sich aus den späteren Erfahrungen ergeben, die sich über die unmittelbare Erinnerung gelegt haben. Das Gläserne Eck existierte übrigens bis in die Nullerjahre des 21. Jahrhunderts.
Der Regisseur Stephan Suschke führte ebenfalls einmal ein Gespräch mit ihr über dieses Thema: „Wir sprachen über die Nazizeit; ein stockendes, quälendes Gespräch. (…) Stunden hörte sie in sich hinein, versuchte sich zu erinnern, misstrauisch gegen Rechtfertigungen, gegen die schnellen Erklärungen. Keine Verteidigung, die Ahnung von Schuld: Man hat es mitgemacht, man war dabei, man war in dieser Suppe dabei.“
Marianne Hoppe war bereit, für die Bilder, die man mit ihr machen wollte, alles zu geben. Sie machte, wie sie sagte, ihren Kram. Sie wurde und sie konnte jede Rolle spielen. Sie war eine junge Frau, gierig, wild, offen, lebendig. Sie war die burschikose Frau. Sie war die moderne Frau, die im Büro ihren Mann steht. Sie war die junge Dame mit mondäner Mähne. Sie war die nachdenklich-melancholische, weil bereits gefallene schöne junge Frau. Sie war das erfrischend schöne Mädchen, das gerade Frau wird. Sie war die entschiedene starke Frau mit Zopf. Sie war der verführerische Vamp. Sie war die männliche Frau mit breitem Kreuz.