Maria Kolesnikowa: Das Regime in Belarus ist auf dem Weg ins Nirgendwo
DW
Eine der Führungsfiguren der belarussischen Opposition hat der DW ein Exklusiv-Interview aus der U-Haft gegeben. Nach einem international kritisierten Urteil drohen Maria Kolesnikowa elf Jahre Gefängnisstrafe.
Seit mehr als einem Jahr sitzt die belarussische Politikerin Maria Kolesnikowa in einer Untersuchungshaftanstalt in Minsk, der Hauptstadt von Belarus. Noch 2020 leitete sie während der vergangenen Präsidentschaftskampagne das Wahlkampfteam des früheren Bankiers Wiktor Babariko. Babariko wurde verhaftet, Kolesnikowa schloss sich dem Koordinationsrat der belarussischen Opposition an, der die Massenproteste in der Republik unterstützte. Diese breiteten sich aus, nachdem Alexander Lukaschenko im August 2020 offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Belarus erklärt wurde. Die Wahl wird international nicht anerkannt.
Die ausgebildete Flötistin Maria Kolesnikowa wurde rasch zu einer der bekanntesten Figuren der Protestbewegung. Die Behörden versuchten im September 2020, Kolesnikowa zur Ausreise aus Belarus zu drängen. Weil die Frau, die viele Jahre davor in Stuttgart als Kulturmanagerin tätig war, sich weigerte, verhaftete man sie.
Ein Jahr später wurden sie und ihr Mitstreiter, der belarussische Jurist Maksim Snak, in einem Verfahren wegen angeblicher "Aufrufe zum Sturz der Staatsgewalt" und "Extremismus" zu elf und zehn Jahren Haft verurteilt. Der Strafprozess gilt international als Farce, Deutschland hat mehrfach gefordert, dass Kolesnikowa sofort freigelassen wird.
Vor der Revision des Urteils, die für den 24. Dezember angesetzt ist, konnte die DW schriftliche Fragen an Kolesnikowa übermitteln. In ihren Antworten berichtet die Oppositionelle von ihrem Leben hinter Gittern und spricht von der politischen Situation in Belarus. In der U-Haft, schreibt Kolesnikowa, fehle ihr "alles: die Luft, die Sonne, meine Flöte, Briefe, Gespräche und eine Duschmöglichkeit. Aber wenn du weißt, warum (du lebst - Anm. der Red.), ist es egal, wie."
Trotz Einschränkungen bei Briefwechseln fühle sie "Fürsorge und Liebe von Menschen in Belarus und auf der ganzen Welt. Das gibt kolossale Unterstützung und Energie". In Deutschland setzen sich beispielsweise der Liedermacher Wolf Biermann und die Grünen-Politikerin Claudia Roth für ihre Freilassung ein.