![Mara-Daria Cojocaru: „Buch der Bestimmungen“ – Vertiert euch!](https://www.fr.de/bilder/2021/08/18/90928394/26865251-doktor-humphrey-stumpfkorn-und-mara-daria-cojocaru-foto-privat-2yHyPHnl5mef.jpg)
Mara-Daria Cojocaru: „Buch der Bestimmungen“ – Vertiert euch!
Frankfurter Rundschau
Mara-Daria Cojocaru träumt in ihren aktuellen Gedichten von einer neuen Ordnung für Mensch und Tier.
Als könnte man die Schöpfung einmal korrigieren. Nein, noch besser: sie gänzlich erneuern. Von diesem Traum künden viele Lyrikbände der vergangenen Jahre, die sich insbesondere an der Vormachtstellung des Menschen in der Natur abarbeiten. Während er in der Realität ein grausames Industriesystem zur Ausbeutung von Huhn, Schwein und Rind geschaffen hat, dürfen sich die Tiere in der Poesie ungeahnter Freiheiten erfreuen. Bei Markus Hallinger triumphiert ein Hase über den Jäger, Björn Kuhligk lässt Affen zu Migranten werden und Jan Wagner übt sich in Elogen auf Krähen. Derweil lassen Mikael Vogel und Silke Scheuermann den ausgestorbenen Dodo wieder leben. Wer sich mit gleich mehreren Bänden in die Reihe mitunter auch tierethisch geprägter Autorinnen und Autoren fügt, ist die 1980 geborene Dichterin Mara-Daria Cojocaru, die mit dem „Buch der Bestimmungen“ nun erneut ein bewegendes Plädoyer für die Aufweichung der Grenze zwischen humanen und animalen Lebewesen verfasst hat. Um die Annäherungen formal zu ermöglichen, bedient sie sich gern des Vergleichs. So ergibt sich bisweilen eine ungeahnte Übereinstimmung zwischen Füchsen und frisch Verliebten. Jeder von ihnen ist gewissermaßen ein Grenzbewohner. Die einen wandeln zwischen Wildnis und Zivilisation, die anderen zwischen dem eigenen und fremden Körper. Doch was bedeuten schon Analogien, wenn ein direktes Einfühlen gelingen kann? Berührend muten die Poeme an, in denen etwa Menschenaffen ihre Gefangenschaft reflektieren und bisweilen gar Empathie für das Schicksal einer Fliege aufbringen. Sie vermögen offenbar genauso viel Mitleid zu empfinden, wie das lyrische Ich, das in dem Text „Sterbehilfe“ von seinem Hund Abschied nimmt: Es zählt noch einmal die gemeinsamen Atemzüge, würdigt (in der direkten Ansprache des Vierbeiners) „jede Regung deines / Geschenkten Wesens, das uns so erfüllt“.More Related News