Manfred Krug „Ich sammle mein Leben zusammen“: Der Lebenssammler
Frankfurter Rundschau
Heimlicher Vater, umworbener Star, resignierter Patient: Manfred Krugs Tagebücher 1996/97.
Die Ehefrau trifft auf die Geliebte und eine geheim gehaltene Tochter. Er landet einen Bestseller mit seinem ersten Buch. Der beste Freund stirbt an Krebs. Ihn selbst reißt ein Schlaganfall aus allen Zusammenhängen. Es sind markante zwei Jahre im Leben des Schauspielers und Sängers Manfred Krug, die sein Tagebuch von 1996 und 1997 umfasst. „Ich sammle mein Leben zusammen“ lautet der Titel.
Wer auf eine Sensation aus ist, braucht das Buch nicht mehr zu lesen, denn die eingangs skizzierten Punkte verbreiteten sich schnell nach dem Vorabdruck im Magazin „Spiegel“. Allerdings sind nicht diese biografischen Fakten das Aufregende an dem Band. Interessant ist, wie sich Jahre nach dem Tod Krugs im Oktober 2016 hier noch einmal eine Zeit und ein Leben als Held dieser Zeit auffächern. Unterhaltsam, stilistisch angenehm verdichtet. Die Notizen sind privat, streifen aber in vielen Momenten die Öffentlichkeit, bringen für Menschen, die in den Neunzigern selbst erwachsen waren, Erinnerungen und Erkenntnisse.
Es ist eine Zeit, da die im Osten Sozialisierten sich im gemeinsamen Deutschland zurechtgefunden haben, da man auf die DDR als abgeschlossenes Sammelgebiet zurückblickt. Als Ulrich Plenzdorf Manfred Krug von einer Diät erzählt, notiert dieser: „Die Ossis fliegen auf solche Bücher. Unsereiner hat das alles vor zwanzig Jahren gelernt.“ Er schaut im Fernsehen Filme von damals und äußert sich oft erschüttert über die Qualität („DEFA-Kunstgewerbe-Fellini“). Manches lobt er aber doch, etwa den Kollegen Fred Delmare. Die neuen Sendeanstalten ORB und MDR weigern sich, Wiederholungshonorare für die Ost-Schauspieler und -Schauspielerinnen zu zahlen – Krug verweigert ihnen aus Ärger darüber jedes Zugeständnis.
Es ist eine Zeit, in der sich Kommunikationsmittel verändern, das Fax wird eingeführt. Regisseur Ulrich Schamoni überrascht mit einem Fotoapparat, dessen Bilder man selber am Computer ausdruckt. Krug ist schon länger eine Werbefigur der Telekom und zeigt sich entsetzt über miserable Ideen für die Spots („Der Text ist so doof, daß ich jedes Wort ablesen muß“). Werbung ist ihm eine wichtige Einnahmequelle. Als er erneut eine Einladung zu einem Empfang beim Bundespräsidenten ausschlägt, schreibt er: „Die wollen wissen, ob man schon reif ist für eine kleine Ehrung. So, wie die Hexe es mit Hänsels Daumen gemacht hat.“
Manfred Krug, 1937 geboren, war in der DDR berühmt, und er schaffte es nach seiner Ausreise 1977, auch in der BRD zum Star zu werden. Er spielte in auf ihn zugeschnittenen Serien wie „Auf Achse“ und „Liebling Kreuzberg“; der Hamburger „Tatort“ mit ihm und Charles Brauer erzielte hohe Einschaltquoten.