Macron auf der Suche nach dem Ausweg
Süddeutsche Zeitung
Der französische Präsident will in Moskau Optionen für eine Deeskalation ausloten. Vorab wird über einen Weg spekuliert, wie er Putin ein kleines Stück entgegenkommen kann, ohne die Zusagen der Nato an die Ukraine infrage zu stellen.
Gibt es einen Schlüssel zur Lösung der Krise um die Ukraine? Nachdem Russland das militärische Drohszenario an der Grenze zur Ukraine weiter aufgebaut hat, reist an diesem Montag der französische Präsident Emmanuel Macron nach Moskau. Er wird dort mit Wladimir Putin sprechen, Dienstag will er in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij treffen. An Macrons Mission werden besondere Erwartungen geknüpft. Der französische Präsident beansprucht für sich eine hervorgehobene Rolle in der Diplomatie und hat in den vergangenen Jahren viel getan, um ein besonderes Verhältnis zu Wladimir Putin zu entwickeln. Der hat ihn gerade erst als für ihn herausragenden Gesprächspartner bezeichnet.
Frankreich hat derzeit die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union inne. Macron hat seinen Besuch in Moskau in der vergangenen Woche mit vielen Telefonaten vorbereitet, sich mit dem amerikanischen Präsidenten Jo Biden und auch Bundeskanzler Olaf Scholz abgestimmt. Das zentrale Ziel wird der Abbau der Drohkulisse sein, die Putin errichtet hat. Es dürfte darum gehen, Putins Interessen anzuerkennen, aber ausdrücklich die Integrität der Ukraine zu wahren und an allen gemachten Zusagen der Nato festzuhalten.
Beim Treffen mit US-Präsident Biden will er zeigen, dass zwischen Deutschland und den USA alles wie geschmiert läuft. Dafür wird der Sozialdemokrat darlegen müssen, was seine Kanzlerschaft für die transatlantischen Beziehungen bedeutet. Von Daniel Brössler
Unter Berufung auf französische Quellen berichtet die New York Times nun an diesem Montagmorgen, dass dabei das sogenannte "Minsk 2"-Abkommen eine Rolle spielen könnte. Diese unter französischer und deutscher Vermittlung entstandene Vereinbarung aus dem Jahr 2015 sollte eigentlich dazu dienen, die Ostukraine zu befrieden. Das Ziel wurde nicht erreicht, in der Region wird bis heute gekämpft.
Das "Minsk 2"-Abkommen wurde nie ganz umgesetzt und lässt, so die New York Times, nun viel politischen Spielraum. Eine Überlegung könnte offenbar sein, dass den russlandtreuen Kräften in den abtrünnigen Regionen im Donbass ein Mitspracherecht in der ukrainischen Politik eingeräumt wird. So ein Mitspracherecht oder gar Einspruchsrecht wäre, so wird in dem Bericht angedeutet, ein möglicher Weg, um Putins Forderung zu erfüllen, dass die Ukraine nicht Mitglied der Nato werden dürfe. Diese Option dürfte allerdings bei der Regierung in Kiew auf sehr wenig Gegenliebe stoßen und mit Sorge betrachtet werden.