Lula da Silva steht in Brasilien vor historischem Comeback
DW
Ex-Arbeiterführer, Ex-Präsident, Ex-Häftling: Lula da Silva könnte am Sonntag schon in der ersten Runde der Präsidentenwahl in Brasilien siegen. Sorgen bereiten Gewalt und Fälschungsvorwürfe durch das Bolsonaro-Lager.
Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva muss nach dem ersten Durchgang am Sonntag vielleicht gar nicht mehr in die Stichwahl für das Präsidentenamt: Laut einer Umfrage von Montag kommt der 76-Jährige derzeit auf 52 Prozent, Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro dagegen nur auf 34 Prozent. Andere Umfragen sehen "Lula", wie er genannt wird, ebenfalls bei mehr als 50 Prozent und Bolsonaro weit dahinter.
Der ehemalige Gewerkschaftsführer wäre damit der erste Präsident Brasiliens, dem eine dritte Amtszeit vergönnt wäre. Er hatte bereits ab 2003 für zwei Amtszeiten regiert und war 2010 mit Zustimmungswerten von mehr als 80 Prozent abgetreten. Wegen Korruption und Geldwäsche verbrachte der Gründer der Arbeiterpartei PT jedoch zwischen April 2018 und November 2019 insgesamt 580 Tage hinter Gittern. Dank Lulas Abwesenheit konnte Bolsonaro Ende 2018 das Präsidentenamt erobern. Lulas Verurteilungen waren Anfang 2021 wegen Verfahrensfehlern annulliert worden und der Ex-Präsident erhielt seine politischen Rechte zurück.
Seitdem führte er die Umfragen mit bis zu 20 Prozent Vorsprung vor Bolsonaro an. Dieser konnte im August zwischenzeitlich auf rund zehn Prozent verkürzen, nachdem er staatliche Sozialleistungen angehoben und die Treibstoffpreise reduziert hatte. Zudem setzte der 64-Jährige seine Ehefrau Michelle bei Wahlkampfveranstaltungen ein. Die First Lady wandte sich dabei hauptsächlich an das evangelikale Publikum, das 2018 noch zu zwei Dritteln für Bolsonaro gestimmt hatte. Derzeit liegt Bolsonaros Vorsprung bei den Evangelikalen laut Datafolha jedoch bei lediglich 18 Prozent.
Der zwischen dem linken Lula-Lager und dem Rechtsaußen Bolsonaro polarisierte Wahlkampf verhinderte, dass sich ein Kandidat oder eine Kandidatin des Zentrums zu einer echten Alternative entwickeln konnte. Von den anfänglich ein halbes Dutzend zählenden Kandidaten der Mitte biegen nun lediglich zwei ernstzunehmenden Kandidaten auf die Zielgerade: der im sozialdemokratischen Lager angesiedelte Ciro Gomes und die Mitte-Rechts-Kandidatin Simone Tebet. Beide dürften am Sonntag rund 5 Prozent erreichen.
So ähnelt der aktuelle Wahlkampf der Polarisierung von 2018. Bolsonaros Sieg über den PT-Kandidaten Fernando Haddad wurde damals als Quittung für die von Korruptionsskandalen gebeutelte PT gewertet. Nun hat sich das Blatt gewendet: Aufgrund seiner katastrophalen Pandemie-Politik und ständiger Angriffe auf die demokratischen Institutionen sind Bolsonaros Beliebtheitswerte niedrig. Die Wähler lassen es Lula durchgehen, bisher kein klares Wahlprogramm präsentiert zu haben. Der Alt-Präsident verspricht, Brasilien wieder "glücklich" zu machen.