Lucy Dacus: „Home Video“ – Sanftheit mit Kern
Frankfurter Rundschau
Im mittleren Tempo: „Home Video“, das dritte Album von Lucy Dacus.
Der Titel weckt Assoziationen, doch „Home Video“, das dritte Album von Lucy Dacus, ist schon im Sommer 2019 eingespielt worden. Home, damit ist die im konservativ geprägten US-Bundesstaat Virginia gelegene Stadt Richmond gemeint, wo Dacus in einer religiösen Familie aufwuchs. Dass das lyrische Ich mit der heute 26-jährigen Singer/Songwriterin selbst identisch ist, dass die Songs von ihrem eigenen Erleben handeln, daran lassen die Intimität und die Unmittelbarkeit der Texte keinen Zweifel. Häufig gibt es ein Du, dem das Ich eine gute Freundin ist. Zentrales Motiv ist die Jugendzeit mit ihren Freuden, Verletzungen und Nöten. Romantisiert wird nicht, dramatisiert auch nicht. Der Blick ist beinahe schon lakonisch gelöst, dabei immer teilnehmend. Es ist eine ebenso gelassene wie gegebenenfalls reizbare Beobachterin, die da spricht. Ihr freundschaftlicher Beistand kann schon mal auf einen Vatermord hinauslaufen, den sie, angeblich zumindest, für eine Freundin zu begehen bereit wäre. So trägt Dacus das in aller Seelenruhe in dem sparsam instrumentierten Song „Thumbs“ vor. Ein Ausreißer in einer Songwelt, die ansonsten von Sanftheit mit Kern geprägt ist. Die Melodieführung der Stimme ist am Folk orientiert, flankiert wird sie von Rockmusik in einem zumeist mittleren Tempo, die hier und da mit U2-artig gleißenden Gitarrencrescendi aufwartet. In zwei Songs stammt der Harmoniegesang von Phoebe Bridgers und Julien Baker, Dacus’ Partnerinnen im Trio Boygenius. Anders als auf dem Debüt „No Burden“ (2016) und auf „Historian“ (2018), dem zweiten Album, macht die Gitarre gelegentlich Platz für Synthieklänge im Stil der achtziger Jahre.More Related News