Lizenzen für die Fischerei
Frankfurter Rundschau
Im Brexit-Streit um Nordirland zeigt die britische Regierung von Boris Johnson plötzlich Pragmatismus und gibt fundamentalistische Position auf.
Beinahe unbeachtet von der Londoner Hauptstadtpresse hat die Brexit-Regierung von Premier Boris Johnson ihre harte Linie im Streit um Nordirland erheblich aufgeweicht. Bei den Gesprächen mit EU-Vertretern solle es zunächst um die praktischen Handelsprobleme gehen, bestätigte ein hochrangiger Regierungsvertreter im Gespräch mit europäischen Medien. Hingegen poche London nicht mehr wie bisher darauf, der Europäische Gerichtshof (EuGH) dürfe aus Souveränitätserwägungen bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten über das Nordirland-Protokoll keine Rolle spielen. Diese Position galt in Brüssel als nicht verhandelbar.
Unsaubere Geldgeschäfte bei der Renovierung seiner Dienstwohnung in der Downing Street, immer neue Enthüllungen über Weihnachtspartys vor Jahresfrist im Lockdown, eine massive Rebellion seiner Fraktion gegen neue Corona-Einschränkungen – der konservative Premierminister steckt innenpolitisch in schwersten Turbulenzen. Womöglich beschlossen Johnson und sein Team deshalb, im Streit mit dem wichtigsten Handelspartnern an zwei Fronten einzulenken.
In einem Zugeständnis an Frankreich erhielten übers Wochenende weitere 23 Kutter die Genehmigung, auch weiterhin in küstennahen Gewässern der Hauptinsel sowie der Kanalinsel Jersey zu fischen. An diesem Montag sollen weitere sieben Lizenzen hinzukommen. Jüngsten Äußerungen aus Paris zufolge fehlen dann zwar immer noch einigen Dutzend Booten die Papiere; in Brüssel wird der britische Schritt aber als wichtiger Ölzweig im Streit über die volkswirtschaftlich unbedeutende, psychologisch aber ungemein wichtige Branche gewertet.