
Linken-Vorsitzende Wissler und Schirdewan: „Katastrophe für viele Menschen längst Realität“
Frankfurter Rundschau
Wie will die Linke mit ihren Plänen gegen Armut in Deutschland durchdringen? Wie steht sie zum Krieg in der Ukraine? Die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan im Gespräch.
Frau Wissler, Herr Schirdewan, Bundeskanzler Olaf Scholz hat in dieser Woche im Bundestag davor gewarnt, man solle „keine Spaltung im Land herbeireden“. Reden Sie mit Ihrer Ankündigung eines „heißen Herbsts“ eine Spaltung herbei?
Janine Wissler: Wir verursachen das Problem nicht, wir benennen es und fordern, dass man endlich etwas dagegen tut. Die soziale Spaltung im Land ist Fakt. Man muss sich dafür nur den Armutsbericht anschauen. Dann stellt man fest, dass 14 Millionen Menschen in Armut leben. Olaf Scholz hat im Wahlkampf Respekt versprochen, er sollte eine Politik machen, die diese soziale Spaltung überwindet – und nicht diejenigen verantwortlich machen, die auf diese Spaltung hinweisen.
Herr Schirdewan, Sie haben in einem Interview vor einer „sozialen Katastrophe“ gewarnt. Ist das keine gefährliche Rhetorik?
Martin Schirdewan: Für viele Menschen ist die Katastrophe längst Realität und das nicht erst seit diesem Sommer und diesem Herbst mit dem massiven Anstieg der Lebenshaltungskosten. Es gibt pro Jahr bereits 300.000 Menschen, denen der Strom oder das Gas abgestellt wird. Für viele Menschen gestalten sich die Lebensverhältnisse einfach unerträglich hart, weil es vorne und hinten nicht reicht. Und da kommt die Preisexplosion jetzt noch obendrauf. Da muss man ansetzen mit einer Politik der sozialen Gerechtigkeit.
Auch die Rechte mobilisiert gegen die steigenden Preise und spricht von einem „heißen Herbst“. Wie gehen Sie damit um, wenn deren Leute bei Ihren Veranstaltungen auftauchen?