
Leugnen, schönreden, verzweifeln: Russlands Staatsfernsehen stellt sich „auf alles Mögliche“ ein
Frankfurter Rundschau
In Russland Staatsfernsehen steckt man zwischen Lobhudelei für Putin und Verzweiflung fest. Ein Ex-Militär rät, sich auf „alles Mögliche“ gefasst zu machen.
Moskau – Es war ein Drahtseilakt, den der russische Propagandist Wladimir Solowjow am Sonntag (25. Juni) vollziehen musste. Denn eigentlich ist der 59-Jährige für harsche Forderungen und seine stets zur Schau gestellte, kompromisslose Härte bekannt – doch im russischen Staatsfernsehen musste er seine Empörung über die Wagner-Revolte und Wladimir Putins zahme Reaktion zügeln.
In der ersten Sendung von „Der Sonntagabend mit Wladimir Solowjow“ seit dem Aufstand der Söldner-Gruppe konzentrierte er sich darauf, Putins unendliche Weisheit für die rasche Beendigung des Aufstands zu loben. Dies tat die geladene Propagandistin Margarita Simonjan. Die Leiterin von Russia Today behauptete etwa, dass es auf der Welt „nichts Beängstigenderes“ als einen Bürgerkrieg gebe. Die Ironie: Mehrfach wünschte man den USA genau jenen an den Hals.
Nachdem Simonjan noch daran erinnert hatte, dass die Gebote Christi sowie das Gesetz des Mose über den russischen Rechtsnormen stünden, fügte Solowjow hinzu: „An diesem Tag haben wir viel über unser eigenes Land erfahren. Wir haben uns als viel weiser erwiesen, als irgendjemand gedacht hätte.“ Weiter lobte der Moderator, der sich sonst gerne Atomschläge gegen den Westen wünscht, dass man „Stärke anstatt Blutrausch“ bewiesen hätte.
Den Lobeshymnen auf den Kreml schlossen sich jedoch nicht alle an. Der Duma-Abgeordnete Andrej Guruljow, ehemaliger stellvertretender Kommandeur in der russischen Armee, zeigte sich regelrecht erschüttert über den Feldzug des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin. Nach einem langem Seufzer sagte Guruljow, er sei „fest davon überzeugt, dass man Verräter in Kriegszeiten vernichten muss“. Weiter polterte der Ex-Militär, dass „ein Schuss in die Stirn die einzige Rettung für Prigoschin“ sei.
Was den mutmaßlichen Staatsstreich angeht, sprach Guruljow das aus, was sich am vergangenen Wochenende sicher Millionen von Russinnen und Russen fragten. „Ich verstehe überhaupt nicht, wie es dazu kommen konnte. Wo sind die Behörden, die davon im Voraus hätten wissen müssen?“, so der Abgeordnete. Weiter blickte Guruljow mit Sorge auf eine künftige, ähnliche Aktion und holte zum Rundumschlag gegen die Militärführung aus: „Wie lange wollen wir noch jeden Laib Brot, jede Drohne und den ganzen Rest per Crowdfunding finanzieren? Es ist schon genug!“