Letzter Ausweg: Endlich Reformen
ZDF
Um ihren Weg in die Bedeutungslosigkeit zu stoppen, diskutieren Bischöfe und Laien in Frankfurt ab heute Reformen - Vorschläge gibt es genug.
Nur noch zwölf Prozent der Menschen in Deutschland haben "großes Vertrauen" in die katholische Kirche. Die Umfrage wurde einen Tag vor der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München-Freising Mitte Januar bekannt. Die Ergebnisse des Gutachtens sowie die Debatte um die fehlerhafte Aussage des emeritierten Papstes Benedikt XVI. haben die Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche weiter verschärft.
Schon nach Veröffentlichung der ersten großen Studie zu sexualisierter Gewalt im Bereich der Kirche im September 2018 war der Mehrheit der deutschen Bischöfe klar, die Kirche hat nur dann eine Zukunft, wenn die systemischen Ursachen abgestellt werden, die sexualisierte Gewalt und Vertuschung erleichtert haben. Zur Notwendigkeit, die Fehler im System zu beseitigen, gesellt sich der Reformstau bei vielen Themen, der die Menschen seit Jahren in Scharen aus der katholischen Kirche treibt.
Zuletzt lagen die Austrittszahlen jährlich bei weit über 200.000 Menschen. Das soll sich ändern. Deshalb werden jetzt im Rahmen des Synodalen Wegs sehr konkrete Reformvorschläge diskutiert. Bei der Synodalversammlung, die bis Samstag in Frankfurt tagt, liegen 13 Papiere auf dem Tisch zu den vier zentralen Themen des Dialogprozesses: Sexualmoral, Rolle der Frauen, priesterliche(s) Leben und Macht.
Die Gruppe sieht in einer stärkeren Fokussierung auf eine zeitgemäße Glaubensverkündigung einen Schlüssel zum Weg aus der Krise. Rückendeckung bekommt die Gruppe aus dem Vatikan. In der Römischen Kurie gibt es, mehr oder weniger offen, Vorbehalte gegen die Reformen, die in Deutschland diskutiert werden.
Als im März 2021 der Vatikan der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in einem offiziellen Dokument eine klare Absage erteilte, deuteten das viele Beobachter als klares Veto gegen die deutsche Debatte. Die Synodalversammlung in Frankfurt steht unter einem hohen Druck. Wenn von ihr kein klares Signal in Richtung Reformen ausgeht, wird die katholische Kirche noch stärker ins Taumeln geraten, als das bisher schon der Fall ist. Angesichts der Beharrungskräfte in der Kirche braucht es nahezu ein Wunder, damit ein erster Befreiungsschlag gelingen kann.
Jürgen Erbacher leitet die ZDF-Redaktion Kirche und Leben katholisch.