
Lena Oberdorf zeigt, was Weltklasse bedeutet
n-tv
Ein einziges Mal kommt Lena Oberdorf gegen Frankreich zu spät, und genau diese Szene mündet im ersten Gegentreffer der DFB-Elf bei dieser Europameisterschaft. Ein ärgerlicher Moment, der zugleich deutlich macht, welch herausragende Leistung die 20-Jährige in diesem Halbfinale zeigt.
In der vierten Minute der Nachspielzeit bricht Lena Oberdorf mit ihrem Vorsatz, ohne Gelbe Karte durch dieses EM-Halbfinale kommen zu wollen. 2:1 führen die deutschen Fußballerinnen gegen Frankreich, das Endspiel ist nur noch wenige Sekunden entfernt, als die herausragende Defensivspielerin der DFB-Elf augenscheinlich genug gesehen hat. Kadidiatou Diani kann nicht mehr ausweichen und wird von Oberdorf abgeräumt. Verwarnung für die Deutsche - und die Sorge, aus dem folgenden Freistoß könnte ein letztes Aufbäumen der Équipe Tricolore werden. Ein letzter langer Ball. Dass diese französische Hoffnung sich nicht erfüllt, auch darum kümmert sich die 20-Jährige noch, ehe der Abpfiff einen der herausragenden Auftritte dieser Europameisterschaft beschließt.
Oberdorf sticht an diesem Abend in Milton Keynes aus einer beeindruckenden Mannschaftsleistung heraus. Als defensives Gegenstück zur offensiven Ausnahmestellung, die Doppeltorschützin Alexandra Popp einnimmt. Die Kapitänin trifft erst zur Führung, dann auch zur Entscheidung und wird anschließend von einem UEFA-Sponsor als Spielerin des Spiels ausgezeichnet. Im Zweifel sticht gute Offensive bei solchen Ehrungen eben gute Defensive aus, doch so geht zumindest in diesen ersten Momenten nach Abpfiff die Leistung etwas unter, die Oberdorf an diesem Abend vollbracht hat.
Die Defensivstrategin, die einst schon mit 12 in der U15-Nationalmannschaft debütierte, erobert 95 Minuten lang Bälle, läuft Lücken zu, deckt Passwege ab, verhindert gefährliche Angriffe bisweilen schon, bevor sie wirklich gefährlich werden können. Und schaltet sich, als wäre all das nicht schon beeindruckend genug, auch noch mit klugen Spieleröffnungen in die Offensive ein. Bräuchte jemand Anschauungsmaterial, was im modernen Fußball von einer defensiven Mittelfeldspielerin verlangt wird, hätte Lena Oberdorf an diesem Mittwochabend im besten Sinne ein Lehrstück produziert.