"Leider ist die Ukraine erst durch den Krieg toleranter geworden"
n-tv
Der russische Überfall verändert die ukrainische Gesellschaft. Lesben, Schwule und queere Menschen haben das Gefühl, dass das Land offener wird. Es ist allerdings ein langsamer Prozess. Diskriminierung gibt es weiterhin - auch in der Armee.
Petro hatte die Heimlichtuerei satt. Vor kurzem, am 16. November, hatte er sein Coming-out. Petro ist 22, er kommt aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa und will sich nicht mehr verstecken. Auch nicht in der Armee.
Am 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine überfiel, entschied Petro, sich der ukrainischen Armee anzuschließen und seine Familie zu verteidigen. Als seine Mutter von seiner Absicht erfuhr, sperrte sie ihn im Haus ein, aber er kletterte aus dem zweiten Stock und ging zur Einberufungsbehörde. Da er Konditor war, stellte die Armee ihn als Koch ein. Gefährlich war auch dieser Dienst: "In der ersten Nacht wurden wir bombardiert, da bekam ich Angst und dachte: Warum habe ich mich überhaupt getraut, das zu tun? Ich wusste nicht einmal, wie man ein Gewehr hält."
Petro blieb trotzdem bei der Armee. Er ließ sich zum Kampfsanitäter ausbilden - erst theoretisch, dann praktisch: Unter Aufsicht eines Chirurgen nähte er einen kleinen Schnitt an seinem eigenen Bein, den er sich vorher selbst zugefügt hatte. "Es war beängstigend, aber im Krieg kann alles passieren, und man muss darauf vorbereitet sein", sagt Petro.