Leben können wir, sterben nicht
Die Welt
Was stimmt nicht mit einer Gesellschaft, der es so gut geht, dass sie vom Tod nichts wissen will? François Ozon zeigt in seinem neuen Film, was Sterbehilfe für eine Familie bedeutet – und welche Scheindebatten darum geführt werden.
Sie steht vor dem Spiegel. Ihr Gesicht ist schön gealtert. Eigentlich gar nicht. Mit den Fingern zieht sie ihr rechtes Augenlid herunter und ihren rechten Mundwinkel. „Ich will, dass du mir hilfst“, brabbelt Emmanuèle Bernheim so mit heiserer Stimme, „es zu beenden.“
„Es“ ist in François Ozons neuem Film „Alles ist gut gegangen“ ein Leben. Das Leben von Emmanuèles Vater. Sophie Marceau ist Emmanuèle, André Dussollier ist André Bernheim. Der will nicht mehr. Das, was er jetzt ist, sagt er, ist nicht mehr er. Einen Schlaganfall hatte er. Und eigentlich ist alles noch mal gut gegangen. Er wird wieder laufen können, er kann reden, sich verständlich machen. Ein Glas Wasser allein heben und trinken. Aber André, der Sturkopf, der eigentlich bisher alles überstanden hat, will halt nicht mehr. Nicht weiter verfallen. Dem Leben, das Kultur war und Kunst, ein Ende geben, so selbstbestimmt, würdevoll, wie es war, das Leben. Emmanuèle soll ihm helfen, einen Weg zu finden. Sterbehilfe ist in Frankreich verboten. Fünf Jahre drohen, 75.000 Euro Strafe. Das lernt man alles in „Alles ist gut gegangen“. Und wie es so geht, das würdevolle Sterben in der Schweiz. Und dass würdevolles Sterben ein Privileg der Bessergestellten ist.