
Leben in Ruinen und Baucontainern
DW
Gentrifizierung trifft Sinti und Roma oft doppelt so hart. Deutschlandweit werden sie aus ihren Wohnungen gedrängt oder müssen in verfallen Häusern oder in Baucontainern wohnen.
Ganze zwanzig Minuten hatte ihre Familie, um die Habseligkeiten zu packen. Dann mussten sie ihre Wohnung verlassen. Von jetzt auf gleich. Als die siebzehnjährige Roxana aus der Schule kommt, stehen ihre Eltern und sechs Geschwister schon auf der Straße. Sie wissen nicht, wohin, ob sie vielleicht sogar auf der Straße schlafen müssen. Das Bauordnungsamt Duisburg hat das komplette Wohnhaus geräumt. Der Grund: Bauliche Mängel. Panisch ruft Roxanas Familie Verwandte und Freunde an, sucht eine Unterbringung. Ein Onkel sagt, dass sie vorerst bei ihm in Berlin wohnen können. Drei Monate sind sie dort. So lange musste Roxana ihre Ausbildung als Kinderpflegerin unterbrechen. Erst dann fanden sie und ihre Familie eine neue Wohnung in Duisburg.
Solche Räumungen gibt es öfter in Duisburg. Dort gibt es die sogenannte Taskforce "Problemimmobilien", die Wohnhäuser auf bauliche Mängel überprüft. Praktisch läuft das oft so ab: Morgens findet eine Hausbegehung statt, mittags kommt das Ergebnis, es bestehe Gefahr für Leib und Leben, und dann steht die Taskforce schon mit blauen Müllsäcken zum Packen bereit. Allein im letzten Jahr sollen mehr als 500 Menschen von diesen Räumungen betroffen gewesen sein, sagt Lena Wiese vom Verein "Solidarische Gesellschaft der Vielen e. V.", der die Betroffenen unterstützt. Meist treffen die Räumungen Menschen aus Rumänien und Bulgarien, oft Roma. Roxanas Familie migrierte auch aus Rumänien, ihre Mutter ist Romni.
Die geräumten Menschen stehen dann häufig auf der Straße, wissen nicht wohin sie sollen, sagt Wiese. Zwar biete die Stadt Notunterkünfte, allerdings lägen diese meist am äußersten Stadtrand. Kinder könnten so schwer ihre Schule erreichen. Außerdem seien die Unterkünfte oft nicht für Familien mit mehreren Kindern geeignet. Es handle sich um Container, in denen es pro Zimmer nur zwei Etagenbetten gebe, so Wiese.
Bis die Betroffenen etwas Neues finden, kann es dauern. Rassismus mache es schwer. Roxana erzählt: "Sobald die Vermieter erfahren, dass wir aus Rumänien kommen, wollen sie die Wohnung nicht mehr vermieten. Sie sagen, wir würden unsere Miete nicht zahlen - und stehlen."
In Dortmund gab es lange Zeit ähnliche Hausräumungen wie in Duisburg, doch mittlerweile geht die Stadt anders mit sogenannten "Problemimmobilien" um. Lokale Vereine haben gemeinsam mit der Stadt Dortmund nach Lösungen gesucht. Werden an einem Haus bauliche Mängel festgestellt, werden diese entweder behoben oder es werden im Vorfeld neue Wohnungen gefunden, so dass die Menschen nicht plötzlich auf der Straße stehen.