KZ-Häftlinge: Das grüne und das schwarze Stoffdreieck
Frankfurter Rundschau
Die Anerkennung aller Opfer der nationalsozialistischen Willkür ist in Deutschland inzwischen selbstverständlich. Oder doch nicht ganz?
Die Menschen, die von den Nazis aus antisemitischen, religiösen und politischen Gründen verfolgt, gequält und ermordet wurden, werden seit Jahrzehnten nicht nur als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt, sondern regelmäßig wird ihrer auf nationaler und lokaler Ebene ehrend gedacht. Dies gehört zu unserer Erinnerungskultur – und das ist auch gut so.
Einige Opfergruppen erfuhren jedoch keine Achtung, sondern anhaltende Verfolgung: die Homosexuellen, die in den KZ mit einem rosa Stoffwinkel an der linken Brustseite der Häftlingskleidung markiert wurden. Sie und ihre Verbände mussten lange kämpfen, bis der Bundestag sich 2002 bei ihnen entschuldigte und alle Urteile nach Paragraf 175 aufhob. Erst 2008 wurde das Denkmal am Tiergarten in Berlin eingeweiht.
Auch die vom SS-Staat verfolgten Sinti und Roma wurden erst 1982 durch Bundeskanzler Helmut Schmidt als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Ein Mahnmal zu ihrem Schicksal wurde 1992 beschlossen und schließlich 2012 gegenüber dem Reichstagsgebäude errichtet. Weitere späte Aufarbeitungsschritte bestanden in der Rehabilitierung der Kriegsdienstverweigerer, der von den Nazis „Wehrkraftzersetzer“ und „Kriegsverräter“ genannten Menschen.
Das große Beschweigen Mein Onkel Ernst war auch ein von den Nazis Verfolgter. Er war bis zur Befreiung im April 1945 vier Jahre lang im KZ, erst in Flossenbürg, dann in Sachsenhausen. Ihm wurde aber die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus durch die Behörden der Bundesrepublik Deutschland strikt verweigert. Es gab keinen Verband oder eine Organisation, die sich für ihn und seinesgleichen einsetzte, kein Mahnmal oder Erinnerungsort, in den Gedenkstätten kam diese Gruppe von Nazi-Opfern nicht vor. Über ihn und seine Leidensgenossen wurde geschwiegen – selbst in den Familien. Die Rede ist von jenen KZ-Häftlingen, die die Nazis mit einem grünen bzw. einem schwarzen Stoffdreieck auf der linken Brustseite der Häftlingskleidung markierten.
Die Nazis nannten sie „Berufsverbrecher“ ... Hinter diesem Begriff steckt die absurde Logik, dass Menschen, die bestimmte negative Verhaltensmerkmale zeigten, einen „genetischen Defekt“ hätten. Wer mehrfach z. B. wegen Diebstahls, Einbruchs, (damals strafbarer) Bettelei oder ähnlicher Delikte verurteilt worden war, hatte damit bewiesen, dass er ein „kriminelles Gen“ in sich trüge. Ein „Gewohnheitsverbrechergesetz“ schuf den pseudolegalen Rahmen. (Vgl.: Dagmar Lieske: „Unbequeme Opfer? ,Berufsverbrecher‘ als Häftlinge im KZ Sachsenhausen“, Metropol Verlag) Durch zeitlich unbegrenztes Wegsperren und harte Zwangsarbeit im KZ werde eine „Gesellschaft ohne Kriminalität“ entstehen, so propagierten es willige Juristen wie Robert Heindl. Auch Frauen bekamen den grünen Winkel, z. B. nach Denunziation wegen vermuteter oder tatsächlicher Prostitution oder wegen des „Verbrechens der Abtreibung“. Sie kamen meist ins KZ Ravensbrück. (Vgl. Sylvia Köchl: „Das Bedürfnis nach gerechter Sühne“, Mandelbaum Verlag.)