
Kunstgegenstände von der Krim: Wem gehört das Gold der Skythen?
Frankfurter Rundschau
Ein Streit zwischen der Ukraine und Museen der von Russland annektierten Krim-Region verweist auf ein Dilemma im Umgang mit Kulturgütern.
Die Faszination, die von dem nomadischen Reitervolk der Skythen ausgeht, hat niemand so treffend beschrieben wie der griechische Geschichtsschreiber Herodot (ca. 480–420 v. Chr.) Für ihn war es, wie er in seinen „Historien IV“ schreibt, schlicht unüberwindbar und unnahbar. „Ihre große Kunst besteht darin, dass keiner, den sie verfolgen, ihnen entkommt, und keiner sie einholen kann, wenn sie sich nicht einholen lassen wollen.“ Herodot, so scheint es, vermochte sich der barbarischen Schönheit des tollkühnen Volkes kaum zu entziehen. „Es baut weder Städte noch Burgen, führt seine Häuser mit sich, schießt Pfeile vom Pferde herab, lebt nicht vom Ackerbau, sondern von der Viehzucht und wohnt auf Wagen.“
Nach heutigem Kenntnisstand liegt der Ursprung dieser „unnahbaren“ Ethnie irgendwo in den Weiten der Steppe Südsibiriens und der nördlichen Mongolei. Auf verschlungenen Handelswegen aber gelangten ihre Schätze in alle Welt, und wann immer die archäologischen Funde, insbesondere das mythisch aufgeladene Skythen-Gold, auf Reisen gehen, steht das Publikum vor den Museen Schlange. Zuletzt war das 2014 der Fall, als einige der prachtvollen Objekte im Amsterdamer Allard-Pierson-Museum ausgestellt wurden. Zuvor waren die Artefakte, die aus vier verschiedenen Museen der Krim stammen, bereits im Bonner Landesmuseum gezeigt worden.
Nach der russischen Annexion der Krim aber wurden die Skythen-Schätze plötzlich zum Spielball abrupt veränderter politischen Interessenlagen, in denen die Niederlande sich in der Rolle des Richters wiederfanden. Weil die Kunstgegenstände aufgrund der unsicheren geopolitischen Lage nicht zu ihren Leihgebern zurückkehrten, landete der Fall vor Amsterdamer Gerichten mit der Kernfrage: Wem gehört das Gold der Skythen?
Zuletzt haben Gerichte die Sammlung bereits in zweiter Instanz der Ukraine zugesprochen. Doch das letzte Wort ist, wie die dpa nun berichtet, wohl noch nicht gesprochen. Die vier nun nicht länger zur Ukraine, sondern zu einer völkerrechtswidrig neu formierten Krim-Republik gehörenden Museen erheben weiter Anspruch auf die Artefakte und wollen vor dem Hohen Rat, dem höchsten Gericht der Niederlande, Revision einlegen. Eine Frist dazu läuft laut dpa am 26. Januar ab.
Die berechtigten Interessen lokaler Museen sind nunmehr zum Gegenstand eines hochpolitischen Stellvertreterkonflikts geworden. Kurz vor Jahresfrist hat Sergej Aksjonow, der Chef der sogenannten Krim-Republik, Russlands Staatschef Wladimir Putin um Hilfe gebeten, bereits zuvor hatte Moskau ein Urteil vom Oktober scharf kritisiert und den Krim-Museen Unterstützung zugesichert. Das ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht auf sich sitzen. Er wertete der dpa zufolge das Urteil als „langerwarteten Sieg“ und fügte martialisch per Twitter hinzu: „Wir holen uns immer das Eigene zurück. Zuerst holen wir das ,Skythen-Gold‘ und danach die Krim.“