Kriegsende oder Nebelkerze? Worüber Kiew und Moskau verhandeln
DW
Während Russlands Krieg gegen die Ukraine andauert, verhandeln Kiew und Moskau. Ist ein Kompromiss möglich? Wann und zu welchen Bedingungen? Experten warnen: Ein schnelles Ende sei nicht in Sicht.
Der russische Krieg gegen die Ukraine geht in die vierte Woche. Neben den Nachrichten über Kämpfe und Opfer gibt es auch Berichte über Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Nach einigen Treffen in Belarus sprechen die Unterhändler nun per Videoschalte. Bislang ohne Ergebnis. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, Moskau werde seinen "Plan" nicht aufgeben, bis Kiew seine Schüsselforderungen erfüllt: "Entmilitarisierung", "Entnazifizierung" sowie ein "neutraler Status der Ukraine". Früher forderte Moskau auch, Kiew müsse die annektierte Krim als Teil Russlands sowie die "Volksrepubliken" in Donezk und Luhansk als unabhängig anerkennen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinerseits zeigte sich bereit, auf die angestrebte NATO-Mitgliedschaft zu verzichten.
Während wenig Konkretes über die Unterredungen nach draußen dringt, sorgte diese Woche ein Artikel in der "Financial Times" für Aufsehen. Es gebe "substantiellen Fortschritt" bei den Verhandlungen, ein 15-Punkte-Plan sei im Gespräch. Kiew soll angeblich bereit sein, seinen NATO-Wunsch aufzugeben und keine Waffensysteme auf ausländischen Militärstützpunkten im Land zu stationieren. Als Absicherung gegenüber Russland möchte die Ukraine angeblich Sicherheitsgarantien von USA, Großbritannien und der Türkei. Ukrainische Vertreter sagen, Kiew brauche rechtlich bindende Zusagen.
Aljona Hetmantschuk, Leiterin der Kiewer Denkfabrik New Europe, nennt die Lage "absurd": "Zunächst muss man einen Waffenstillstand vereinbaren und dann konkrete Verhandlungen führen. Heute ist es so: Je intensiver Verhandlungen geführt werden, desto mehr wird geschossen."
Hetmantschuk beschreibt die Bereitschaft der Ukraine, einem neutralen Status zuzustimmen, als das größte Zugeständnis: "Nicht nur, weil die NATO-Mitgliedschaft als Ziel in der Verfassung steht, sondern weil es von einer nie dagewesenen Mehrheit unterstützt wird." Das Angebot sei an Sicherheitsgarantien gebunden, die faktisch Artikel 5 des NATO-Vertrags über kollektive Sicherheit ersetzten. Diese Idee sei "ziemlich illusorisch", denn es gebe keine Bereitschaft der NATO-Länder, der Ukraine solche Garantien zu geben. Auch Russland dürfte darauf kaum eingehen. Als rote Linien für Kiew beschreibt Hetmantschuk die Anerkennung der Krim und des Donbass: "Das wäre eine komplette Kapitulation."
Die Expertin bezweifelt, dass Verhandlungen zum Erfolg führen werden, hält sie jedoch für richtig, um "die humanitäre Lage zu verbessern und der Welt zu zeigen, dass die Ukraine zu bestimmten Kompromissen bereit ist".