Korsika - eine lange Geschichte der Rebellion
DW
Nach zwei Wochen gewalttätiger Unruhen erwägt die französische Regierung eine regionale Autonomie für Korsika. Die Mittelmeerinsel blickt auf eine lange Geschichte von Armut und Widerstand zurück.
Mitte der Woche fuhr Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin schließlich nach Korsika, um die aufgeheizte Situation auf der französischen Mittelmeerinsel zu beruhigen. Seit dem Angriff auf den früheren Nationalistenführer Yvan Colonna am 2. März in einem Gefängnis in Arles ist die Insel wieder in Aufruhr. Colonna sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab, weil ihm der 1998 begangene Mord an Gouverneur Claude Erignac zur Last gelegt wurde. Seit einem Anschlag durch einen Islamisten liegt Colonna im Koma. Und damit ist man mitten in der von Rebellion und Widerstand gegen die Zentralregierung in Paris geprägten Geschichte der Insel.
Korsika wird auch die "Insel der Schönheit" genannt - wegen der Strände und eindrucksvollen Landschaften. Aber das ist der Blick auf Korsika für die Tourismusindustrie. Denn die wechselhafte Geschichte der Insel wird geprägt vom Geist eines Separatismus, der sich aus der Vernachlässigung durch wechselnde Herrscher im Lauf der Jahrhunderte und anhaltende Armut speist.
Vielleicht war es der jahrelange bittere Kampf gegen die französische Armee im 18. Jahrhundert, der den Geist des Widerstandes auf Korsika hervorbrachte. 1769 verkaufte der bankrotte italienische Stadtstaat Genua die Insel an Frankreich, nachdem sie seit dem Mittelalter zu Italien gehört hatte. Die neuen Besetzer beendeten damit ein paar Jahre der Selbstherrschaft, als die Insel eine kurze Phase von wirtschaftlicher Blüte und kultureller Entwicklung erlebt hatte. Die Bewohner lehnten sich gegen die Franzosen auf, es gab ein kurzes Zwischenspiel unter britischer Herrschaft und seit 1811 gehört Korsika als Departement zu Frankreich.
Im 19. Jahrhundert folgte eine lange Periode des ökonomischen Niedergangs: Korsika fiel auf das Niveau von agrarischer Subsistenzwirtschaft und die Schafzucht zurück. In dieser Phase wanderten viele Bewohner der Insel in die USA aus oder in französische Übersee-Kolonien. Berühmtester Sohn Korsikas ist übrigens Napoleon Bonaparte, der Kriegsherr und spätere Herrscher, der den strengen Zentralismus des französischen Staates entwickelte und perfektionierte. Der verurteilte Attentäter Yvan Colonna hatte sein Leben als Schäfer in einer kleinen korsischen Küstenstadt begonnen, bevor er zum Helden der militanten Nationalistenbewegung wurde.
Als einen der erfolgreichsten Exportartikel der Mittelmeerinsel im 20. Jahrhundert könnte man die korsische Mafia betrachten. Die ärmste Region Frankreichs, wo ein Fünftel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, ist seit vielen Jahrzehnten ein Hort der organisierten Kriminalität. Hier fanden Filmemacher über Generationen hinweg Inspiration.