
Koalitionsvertrag vorgestellt – Ein Anfang ohne Zauber
Frankfurter Rundschau
Die Ampel-Parteien wollen viel anpacken. Doch von einer Koalition des Fortschritts sind sie weit entfernt.
Berlin – Wenn die Regierungsparteien den Koalitionsvertrag bestätigen, könnte noch am 8. Dezember Olaf Scholz zum Kanzler gewählt werden. Zwischenzeitlich sah es so aus, dass „Ampel-Koalition 2021“ nichts bedeutet außer: Alle Farben leuchten gleichzeitig und niemand weiß mehr, was gilt.
Von dem einstigen Anspruch, die „Fortschrittskoalition“ zu bilden und das „Jahrzehnt der Modernisierung“ einzuläuten, schien nichts mehr übrig zu bleiben. Olaf Scholz trug dazu bei, dass er nichts beitrug. Angesichts explodierender Corona-Infektionen und sich füllender Krankenhäuser blieb der designierte Kanzler ebenso unsichtbar wie in den Koalitionsverhandlungen sprachlos.
Es könnte aber auch sein, dass gerade diese leise Art der Schlüssel einer Versöhnung einer Gesellschaft am Rande der Spaltung in sich trägt. Es ist manchmal besser, nicht zu sprechen als schlecht zu sprechen. In der hochdynamischen Situation, in der 22 Fachgruppen mit Hunderten Expertinnen und Experten um Kompromisse ringen, muss nicht jeder Zwischenstand nach außen getragen werden, um am Ende doch wieder revidiert zu werden. Herausgekommen ist eine erstaunliche Einigkeit im Gesellschaftsbild: Geregelte Einwanderung, Legalisierung von Cannabis, Wahlrecht ab 16 – das sind nur einige Themen, die unter einer Unionsführung undenkbar schienen.