
Klimaprotest in Frankreich: Blockieren fürs Sanieren
Frankfurter Rundschau
Die Gruppe „Dernière Rénovation“ stört Großereignisse und behindert den Verkehr. Anders als die deutsche „Letzte Generation“ hat sie einen spezifischen Fokus: die Gebäudesanierung.
Lyon – Freitagmorgen in Lyon: Auf der Stadtautobahn drängeln sich die Autos im Berufsverkehr. Noch. Denn neun junge Menschen, die auf einer Zufahrtsstraße stehen, wollen für eine Störung sorgen. Sie ziehen sich orangefarbene Warnwesten über. „Dernière Rénovation“, zu Deutsch „letzte Renovierung“, steht jetzt auf ihren Rücken, daneben ein Logo, das ein Haus mit einer Flamme im Inneren zeigt. Ein paradoxes Symbol, denn wenn es kalt wird in Frankreich, wird Wärme für Millionen Menschen zum unerschwinglichen Luxus. Laut Umweltministerium ist fast ein Fünftel der Wohnungen im Land sehr schlecht isoliert; 14 Prozent der Französinnen und Franzosen geben an, in ihrem Zuhause zu frieren.
Für die meist jungen Aktivist:innen von „Dernière Rénovation“ ein Grund, zu drastischen Mitteln zu greifen. Ähnlich wie die Protestierenden in anderen Ländern wollen sie die Regierung mittels zivilen Ungehorsams dazu bewegen, die Klimapolitik zu verschärfen. Sie haben dabei aber eine ganz spezifische Forderung: Sie wollen, dass die Regierung ausreichend Mittel bereitstellt, damit Eigentümer:innen schlecht isolierte Häuser energieeffizient sanieren können. Denn unter einem kalten Zuhause leiden nicht nur die Bewohner:innen, sondern es wird auch viel Energie verschwendet.
Für ihre Ziele stören die Aktivist:innen seit Monaten Fußballspiele und Opernaufführungen, versuchen, sich an Regierungsgebäude zu ketten oder blockieren den Verkehr. In Lyon organisiert „Dernière Rénovation“ seit November Protestaktionen. Zehn Aktivist:innen gehören laut Angaben der Gruppe zum festen Kern, etwa 100 engagieren sich ab und zu. Regelmäßige Proteste gibt es zudem noch in Paris und Toulouse. In anderen Städten seien Gruppen im Aufbau, so eine Sprecherin des Netzwerks.
Die 22-jährige Sophie (Anmerkung der Redaktion: Die genannten Aktivistinnen wollten ihre Nachnamen zu ihrem Schutz nicht preisgeben) ist heute in Lyon zum ersten Mal mit dabei. Sie sei aufgeregt, sagt sie, und sich gleichzeitig sicher, dass sie das Richtige tue. „Ich habe schon so viel versucht: Klimamärsche, wählen gehen, Petitionen. Aber das bringt alles nichts. Ziviler Ungehorsam ist die letzte Möglichkeit, die wir haben, um die Dinge zu ändern“, sagt die Kunststudentin.
Gemeinsam mit den anderen Aktivist:innen begibt sie sich an den Rand der Fahrbahn. Sie lassen ein paar Lastwagen vorbeiziehen, zwei Mitglieder der Gruppe halten dann die folgenden Autos per Handzeichen dazu an, langsamer zu fahren. Von Gehupe begleitet stellen sich die sieben weiteren Protestierenden hinter ihnen auf. Motorräder fahren an der Seite vorbei. Als die Reihe dicht ist, setzt sich die Gruppe gemeinsam nieder. Der Eingang zu einem hinter ihnen liegenden Tunnel ist damit blockiert. Das Hupen wird lauter. Nur ein paar Sekunden später springen mehrere Männer aus ihren Autos, beschimpfen die Aktivist:innen und versuchen, diese wegzutragen. Die Protestierenden zeigen keine Reaktion, lassen sich wie nasse Säcke an den Fahrbahnrand ziehen – und krabbeln wieder zurück.