Kindisch und gefährlich
Süddeutsche Zeitung
Frankreichs rechtsradikale Präsidentschaftskandidaten haben einander den Kampf erklärt und agieren wie in einer Seifenoper. Die Popularität ihrer Ideen leidet darunter nicht.
Nur weil etwas kindisch wirkt, ist es nicht harmlos. Seit Ende Januar tragen die französischen Präsidentschaftskandidaten Éric Zemmour und Marine Le Pen öffentlich einen Schaukampf aus, der eher an eine TV-Seifenoper erinnert denn an Politik. Doch an der Tatsache, dass beide weiterhin rechtsextreme Ideen vertreten, ändert das nichts. Und auch nicht daran, dass beide Kandidaten zusammengerechnet in den Umfragen auf knapp 30 Prozent Zustimmung kommen. Einen solchen Wert hat Marine Le Pen alleine nie erreicht.
Aus strategischer Sicht mag die interessante Frage lauten: Werden Le Pen und Zemmour einander die Stimmen streitig machen? Sie könnten sich gegenseitig am Einzug in die Stichwahl hindern, in der in Frankreich am 24. April darüber entschieden wird, wer der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin wird. Betrachtet man eine Wahl weniger wie ein Strategiespiel, dann stellt sich eine andere Frage: Wie kann es sein, dass in Frankreich Platz für zwei rechtsextreme Kandidaten ist?
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Einen Teil der Antwort liefert der aktuelle Streit. An der Oberfläche geht es darum, dass einige von Le Pens Unterstützern Ende Januar zu Zemmour übergelaufen sind. Das bekannteste Beispiel ist Gilbert Collard. Der Europaabgeordnete war schon im Front National, bevor Marine Le Pen die Partei 2018 in Rassemblement National (RN) umtaufte. Nun verließ Collard den RN, um sich an der Seite Zemmours ganz dem "Kulturkampf" zu widmen, wie er es nennt. Zuvor war bereits unter anderen auch der Europaabgeordnete Jérome Rivière zu Zemmour übergewechselt.
Bei einem Treffen der europäischen Rechtspopulisten in Madrid am vergangenen Wochenende sagte Marine Le Pen, "wer gehen will, soll es jetzt tun". Damit war der Krieg gegen Zemmour offen erklärt.