Kim Hye-Jin: „Die Tochter“ – Könnte sie nicht noch rasch einen Ehemann finden?
Frankfurter Rundschau
„Die Tochter“ von Kim Hye-Jin, ein weiterer erfrischender Roman aus Südkorea.
Südkoreas Kulturszene ist weiter im Kommen. Zunächst eroberte sie nur die asiatischen Nachbarn, zumal in China und Japan. Doch mittlerweile ist das „Hallyu“-Phänomen, die „Koreanische Welle“, an alle Küsten der Welt geschwappt. Da denke man an den Erfolg des K-Pop, an den Vierfach-Triumph von „Parasite“ (Regie: Bong Joon-ho) bei den Oscars 2020 oder an den aktuellen Hype um die Netflix-Serie „Squid Game“ (Regie: Hwang Dong-hyuk). Gerne erwähnen wir auch die scharfe Kimchi-Kost.
Für diesen Boom stehen auch die schnittigen, so schmalen wie schillernden Prosakunstwerke aus Südkorea. Han Kangs „Vegetarierin“, Baeh Suahs „Weiße Nacht“, Young-ha Kim „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ oder Cho Nam-Joos „Kim Jijoung, geboren 1982“ sind auch bei uns bestens aufgenommen worden. Nun kommt Kim Hye-Jin, geboren 1983, mit ihrem Roman „Die Tochter“ hinzu.
Es ist der kurze Roman eines langsamen Erwachens. Als Erzählerin macht uns eine über 60 Jahre alte Frau zunächst damit vertraut, wie entsetzt sie darüber ist, dass ihre Tochter, Mitte 30, eine Lebensgefährtin namens Rain hat. Das lesbische Paar ist schon einige Jahre zusammen. Gleichwohl meint die Mutter: „Du hast noch Zeit, alles zum Guten zu wenden.“ Will sagen: Schnell einen Ehemann finden und eine Familie gründen, wie es die Tradition vorgibt.
Green kontert mit der Grundsatzfrage: „Warum kannst du mich nicht akzeptieren, wie ich bin?“ Es sei doch die Mutter selbst gewesen, die ihr beigebracht habe, „dass es auf dieser Welt alle Arten von Menschen gibt“.
Tatsächlich scheint die Haltung der Mutter im real existierenden Südkorea weit verbreitet zu sein. Jedenfalls gibt es keinen gesetzlichen Diskriminierungsschutz für Homosexuelle, auch ist eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht erlaubt. Zur Kollision der Standpunkte kommt es, als Green das Geld ausgeht. Mit ihrer Partnerin zieht sie in das bescheidene Haus der Mutter in Seoul ein. Zwar setzt die Hausherrin alles daran, ihr Missfallen über Rain zu bekunden. Doch die junge Frau, die in einem Restaurant arbeitet, verliert kein böses Wort darüber, sondern reagiert mit Fürsorge und Kochkunst.