Kein Weg raus aus Afghanistan
Frankfurter Rundschau
Angesichts der Flucht aus der Ukraine gerät Afghanistan aus dem Blick: Frauenrechtlerinnen und Ortskräfte sitzen dort weiter fest, kritisiert Pro Asyl – die Bundesregierung arbeitet an einer Lösung.
Die Aufnahme von bedrohten Menschen aus Afghanistan in Deutschland stockt, Anträge werden nicht bearbeitet. Diesen Eindruck hat die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl gewonnen. Sie ruft die Bundesregierung dazu auf, engagierte Menschen aus dem Land zu retten, die von den Taliban bedroht sind.
Dazu zählt sie Tausende von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Ortskräften, die einst für deutsche Institutionen gearbeitet haben. Sie harrten unter Lebensgefahr in Afghanistan aus. „Individuelle Anträge auf Aufnahme werden mit dem Argument nicht bearbeitet, dies sei kein singuläres Einzelschicksal, das sich ganz erheblich von der Gefährdungssituation anderer Personen in Afghanistan unterscheide. Zudem müsse der Fall von besonderer Bedeutung für die politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland sein“, kritisiert Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Liste, auf der sich bedrohte Menschen aus Afghanistan hatten für eine Ausreise registrieren lassen können, sei „ohne ersichtlichen Grund“ bereits vor Monaten geschlossen worden.
Die Bundesregierung widerspricht: „Es finden weiterhin regelmäßig Einreisen dieser Personengruppen nach Deutschland statt“, versichert ein Sprecher von Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Seit Mitte August 2021 seien mehr als 12 000 Personen aus Afghanistan nach Deutschland eingereist, darunter ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen und deren Familienangehörige sowie „besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen“. Insgesamt habe Deutschland bisher fast 30 000 Afghaninnen und Afghanen aus diesem Personenkreis die Aufnahme zugesagt.
Zudem bereitet die Bundesregierung ein Aufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan vor, wie es die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Wie viele Menschen davon profitieren können, ist ungewiss. Es liefen „derzeit intensive Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung“ über die künftige Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen, sagte der Sprecher der Innenministerin auf FR-Anfrage. Daher könne er auch keine Angaben zur Größenordnung der Aufnahme machen.
Frauenrechtlerinnen sind laut Pro Asyl besonders bedroht. „Die Taliban bedrohten uns und suchten auf alle möglichen Weisen nach uns, wir konnten unser Haus in unserer Provinz nicht mehr verlassen, waren dort eingesperrt und bedroht“, schildert eine afghanische Frau, die sich aus Sicherheitsgründen unter dem Namen Zarafschan B. zitieren lässt. Sie gehört zu einer landesweiten Gruppe von Frauen, die von der ehemaligen Regierung als Beraterinnen berufen worden waren, der „United Voice of Women for Peace“.