Kasachstan reitet auf der Rasierklinge
n-tv
Bei einem Treffen mit Putin weigert sich Kasachstans Präsident Tokajew, die sogenannten Volksrepubliken in der Ostukraine anzuerkennen. Doch das zentralasiatische Land plant nicht, sich von Russland zu lösen. Seine Allianzen sind komplexer.
Das hätte man wissen können. Auf die vermeintliche Fangfrage der Kremlpropagandistin und Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, nach seiner Haltung in der Ukrainefrage erwiderte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew: Aus guten Gründen erkenne sein Land weder Taiwan noch das Kosovo, Abchasien oder Südossetien an. "Und dieses Prinzip gilt offensichtlich auch für solche quasi-staatlichen Gebiete, wie Donezk und Luhansk es sind", sagte Tokajew, während neben ihm auf dem Podium Wladimir Putin saß. Dies sei eine offene Antwort auf eine offene Frage, merkte der Ehrengast des internationalen Wirtschaftsforums SPIEF in Sankt Petersburg vor einer Woche noch an.
Der unerwartet souveräne Auftritt des kasachischen Staatschefs löste bei einigen Beobachtern im Westen geradezu Begeisterung aus. Von einer ideologischen Abkehr von Moskau oder gar einer "Ohrfeige für Putin" kann zwar keine Rede sein. Aber den Zugewinn an politischer Legitimation und internationalem Ansehen kann Tokajew gut gebrauchen.
Für den zweiten Präsidenten des seit 1991 unabhängigen Landes ist der Umgang mit dem Krieg in der Ukraine ein Balanceakt. Die Russische Föderation, mit der Kasachstan - ein Land ohne Zugang zum offenen Meer - eine Grenze von fast 7000 Kilometern hat, ist ein historisch gewachsener, unverzichtbarer Handelspartner. Angesichts dieser Abhängigkeit ist auch Kasachstan indirekt von den Sanktionen gegen Russland betroffen. Die neue geopolitische Realität macht aus kasachischer Sicht die Suche nach einer neuen Formel für die Zusammenarbeit mit Russland erforderlich. In diesem Kontext ist auch Tokajews Statement in Sankt Petersburg zu sehen.