Kanzlerreise: Deutsche Signale an Japan
DW
Bei seiner ersten Asien-Visite will Bundeskanzler Olaf Scholz die Beziehungen zum Interessen- und Wertepartner Japan auf eine neue Stufe heben.
Als erstes Land in Asien besucht Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag und Freitag Japan. Es handelt sich erst um seine dritte Amtsreise ins außereuropäische Ausland nach den USA und Israel. Auf diese Weise will Scholz die gewachsene Bedeutung Japans für Deutschland hervorheben. Die Botschaft laute, dass Deutschland Asien nicht aus den Augen verliere, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Der Abstecher von Scholz in den Fernen Osten hat noch einen formalen Grund: Vor dem G7-Gipfeltreffen, das diesmal Ende Juni im bayerischen Schloss Elmau stattfindet, besucht der Gastgeber traditionell die anderen Teilnehmer.
Allerdings dauert der Arbeitsbesuch des Kanzlers in Tokio nur etwa 20 Stunden. Scholz trifft Premierminister Fumio Kishida und isst mit ihm zu Abend. Zu den Top-Themen gehören die Sanktionen gegen Russland, die Abhängigkeit von russischem Gas, die Sicherheit der Lieferketten bei Halbleitern und Rohstoffen und die Geopolitik. Außerdem spricht der Kanzler, der von einer Managerdelegation begleitet wird, auf einer Wirtschaftskonferenz der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Vor dem Rückflug lässt sich Scholz noch ein Demonstrationsprojekt für eine Wasserstoff-Lieferkette in Kawasaki zeigen. Bei der Nutzung von Wasserstoff als Brennstoff gilt Japan als weltweiter Vorreiter.
Der engere Schulterschuss von Deutschland und Japan hängt mit der verschärften Rivalität zwischen Demokratien und Autokratien zusammen. Beide Länder suchen im Handelskonflikt zwischen China und den USA nach Wegen, ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen im Reich der Mitte zu verfolgen, ohne sich dabei von ihrem Sicherheitspartner USA zu entfernen. Die langjährige Kanzlerin Angela Merkel hatte bei ihren Asienreisen in der Regel China den Vorzug gegeben. Eine einzelne Japan-Reise wie jetzt bei Scholz gab es mit ihr nicht. Doch Chinas Abschottung gegen die Corona-Pandemie und Pekings Partnerschaft mit Russland trotz dessen Krieg gegen die Ukraine haben die Annäherung zwischen Deutschland und Japan forciert.
Vor einem Jahr richteten die Außen- und Verteidigungsminister erstmals einen "2-plus-2-Dialog" beider Länder aus. Wegen der Pandemie wurde dieses Treffen per Videokonferenz abgehalten. Nun möchte Deutschland die Gesprächsbeziehungen zu Japan auf das Niveau von Regierungskonsultationen heben. Dabei treffen sich neben den Regierungschefs auch viele Minister beider Seiten. Eine solche Abmachung mit Japan könnte Scholz schon in Tokio verkünden. Allerdings tut sich Japan mit diesem Format schwer, weil dort die Minister häufig im Parlament anwesend sein müssen. Deutschland führt solche regelmäßigen Konsultationen unter anderem mit Israel, Indien und China.
"Japans Bedeutungsgewinn hat sich schon in den vergangenen zwei Jahren abgezeichnet, weil Japan in Asien der wichtigste Werte- und Interessenpartner von Deutschland ist", erläutert Professor Patrick Köllner, Direktor des GIGA-Instituts für Asienkunde in Hamburg. "Auch wenn beide Länder etwa beim Klimaschutz nicht immer identisch vorgehen, sind die Schnittflächen doch bemerkenswert groß und bieten eine gute Grundlage für kooperative Initiativen."