Kanadas Militär: Der Feind in den eigenen Reihen
Frankfurter Rundschau
Kanadas Regierung leistet Abbitte für sexuelle Belästigung im Militär: Jahrelang wurden Klagen der Betroffenen ignoriert oder verschleppt.
Ottawa – Tausende aktive und frühere Angehörige des kanadischen Militärs haben während ihrer Dienstzeit sexuelle Belästigung oder Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erfahren. Viele wurden gezwungen zu schweigen oder ihre Vorgesetzten reagierten nicht auf Klagen. Nun räumt die Regierung ihre Mitschuld ein. Missbrauch von Macht habe das Vertrauen in die Führung des Verteidigungsministeriums zerstört, sagte Kanadas Verteidigungsministerin Anita Anand. „Ich entschuldige mich im Namen der Regierung Kanadas.“
Ministerin Anand, der Chef des Verteidigungsstabs General Wayne Eyre und die stellvertretende Verteidigungsministerin Jody Thomas sprachen am Montag in Reden, die live über Kanäle des Ministeriums und in den sozialen Medien verbreitet wurden, für die gesamte Regierung, die Militärführung und die Leitung des Verteidigungsministeriums die Entschuldigungen aus, auf die viele Betroffene seit langem warten. Die Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens und Missbrauchs sowie der Diskriminierung von Militärangehörigen und Zivilbediensteten aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer geschlechtlichen Orientierung hat in den vergangenen Monaten das Vertrauen in die Streitkräfte erheblich erschüttert.
Gegen nahezu ein Dutzend hochrangiger Militärs, darunter zwei ehemalige Oberkommandierende der Streitkräfte, laufen Ermittlungsverfahren oder sie mussten in den Ruhestand treten. In einigen Fällen wird ihnen selbst sexuelles Fehlverhalten vorgehalten, in anderen Fällen ihr Umgang mit Klagen, die ihnen bekannt wurden. Bisher haben sich fast 19 000 aktive und frühere Angehörige des Militärs sowie Zivilist:innen einer Sammelklage gegen die kanadische Regierung angeschlossen, in der sie Entschädigung fordern. Annähernd zwei Drittel von ihnen sind Frauen.