John Hustons Filmklassiker: Späte Freifahrt für die „African Queen“
Frankfurter Rundschau
John Hustons Filmklassiker kommt erstmals ungekürzt in deutsche Kinos. Warum die Romanze einst die FSK aufbrachte
Wer in Deutschland amerikanische Filmklassiker zu kennen glaubt, kennt sie nicht immer wirklich. John Hustons „African Queen“ mit Katharine Hepburn und Humphrey Bogart, diese hinreißend verzögerte Romanze während einer hochdramatischen Flussfahrt im Kriegsjahr 1914, ist hierzulande kaum weniger beliebt als in den USA, wo sie 1952 für vier Oscars nominiert wurde. Doch die Fassung, die am 28. August 1958 schließlich in deutsche Kinos kam, hatte – anders als das todesmutige Paar – mehr als nur ein paar Blessuren davongetragen. Wenn erst jetzt, gut 70 Jahre nach der US-Premiere, eine FSK-Freigabe der Originalfassung vorliegt, darf sich auch ein kurioses Kapitel Filmgeschichte endlich schließen: Mit der Wiederaufführung am kommenden Dienstag, zeitgleich auf angemessen großer Leinwand in rund 300 deutschen Kinosälen.
„Frei ab 6 Jahren“ heißt es nun, ohne Wenn und Aber – ganz anders als die Wiesbadener Behörde am 23. März 1952 urteilte. Der Film wurde zunächst – und für Jahre – überhaupt nicht freigegeben, „da er geeignet sei, nationalistische Tendenzen zu fördern und die Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten zu gefährden“. In ihrem Bezug auf die „FSK-Grundsätze“ A II b) und c) in der Fassung vom 25. 8. 1951“ stellte die „Filmselbstkontrolle“ allerdings jede vernünftige Lesart auf den Kopf.
Tatsächlich basiert die Geschichte um den Einsatz des patriotischen Paars, das den titelgebenden Kahn im damaligen Deutsch-Ostafrika als Torpedo gegen ein deutsches Kriegsschiff lenkt, auf einer wahren Begebenheit. Der exzentrische britische Korvettenkapitän Spicer Simson bekam 1915 den Auftrag, die deutsche Vorherrschaft auf dem Tanganjikasee zu brechen. Kein deutscher Nationalismus störte also die Zensur, eher schon trieb er sie an. Ihre Sorge: Der Film könnte dem Ansehen des damaligen Deutschland durch die Darstellung seiner Vergangenheit Schaden zufügen.
In der Originalfassung überfallen deutsche Soldaten ein Dorf, um Einheimische zwangsweise zu rekrutieren. Den Überfall deklarieren sie als Strafexpedition. In der erst 1958 freigegebenen Fassung sind in dieser Szene keine deutschen Soldaten mehr zu sehen. Ebenso bei einem späteren deutschen Angriff auf das Boot, die „African Queen“. In der letzten Sequenz, in der das Paar auf einem deutschen Kriegsschiff verhört und zum Tod durch Erhängen verurteilt wird, fehlt die Darstellung von Kriegsverbrechen: Katharine Hepburns Filmfigur wird nicht mehr brutal niedergeschlagen. Auch fehlt jeder Hinweis auf die Todesart Erhängen.
Der Ablehnung durch die FSK folgte, wie die Zeitschrift „Variety“ im August 1952 berichtete, ein Appell des deutschen Filmwirtschaftsverbandes an die Berliner Filmfestspiele, den Film dort nicht zu zeigen. Er lief dann schließlich stattdessen in Locarno – wo er prompt auf den Zorn der deutschen Kritik traf.