Joe Kaeser lästert auf Twitter über Abgeordnete
Süddeutsche Zeitung
Der ehemalige Siemens-Chef beschwert sich öffentlich über Politiker, die im Flieger zwischen Berlin und München angeblich Interna ausgetauscht haben. Vor allem ein FDP-Mann ist nun sauer.
Er ist immer noch viel unterwegs, auch wenn er nicht mehr Siemens-Chef ist. Das Schöne daran ist, dass Joe Kaeser immer wieder gerne der Welt mitteilt, was er unterwegs alles erlebt. Das macht er in der Regel über Twitter, er ist also ein sehr moderner Vertreter des uralten Genres der Reiseerzählung. Eine Art Reise-Twitterer.
Am Donnerstag - es war im Flieger von Berlin nach München - hatte er wieder einiges erlebt, und darüber getwittert. Das liest sich dann so: "Sitze gerade im Flieger nach München inmitten vom Abgeordneten, die sich hörbar über das Wochenende freuen...und nebenbei Internas über den Gang hinweg austauschen. Einige mit CSU-Bändchen. Einer von der FDP, der früher flache Kolumnen in Boulevard-Magazinen geschrieben hat."
Hui, denkt man sich da - wer mag denn der Flach-Kolumnist von der FDP gewesen sein? Zum Glück kann man auf Twitter ja nicht nur eigene Reiseeindrücke aufschreiben, andere können auch daran teilhaben. Und so dauerte es gar nicht lange, da zwitscherte einer zurück, der sich zuletzt auf der Jugend-App Tiktok einen Namen gemacht hat: der frühere Telekom-Personalvorstand, FDP-Politiker und heutige Parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium Thomas Sattelberger (72). Und er schrieb: "Was flacher war, Ihre Verbeugung vor Trump und Putin oder meine Essays im ManagerMagazin mögen andere beurteilen. Aber ich verbitte mir die ehrenrührige Behauptung, ich hätte Internas ausgetauscht. Das mögen die CSU'ler gemacht haben, ich saß schweigend auf meinem Sitz."
Nun muss man wissen, dass Kaeser vor einigen Jahren mal einen Abendessen-Termin mit anderen Managern und dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos hatte, bei dem es so aussah, als würden sich die beiden prächtig verstehen. Tempi passati, Trump ist nicht mehr Präsident, und vielleicht wird er es ja auch nie wieder. Bissiger da schon der Hinweis auf den russischen Präsidenten, mit dem Kaeser immer wieder mal zu tun hatte. Zum Beispiel bei einem Besuch deutscher Top-Manager 2019 in Moskau. Sicher, Siemens und Russland vereint eine 100-jährige gemeinsame Geschichte. Aber als vor ein paar Jahren Gasturbinen von Siemens auf der russisch besetzten Krim auftauchten, da meinten Kritiker: Traditionen gut und schön, aber alles hat seine Grenzen!
Wenn Joe Kaeser auf Reisen ist, dann kann man also was erleben. Vor drei Jahren zum Beispiel, da saß der damalige Siemens-Chef und Social-Media-Allrounder in einer Lounge am Frankfurter Flughafen, nebenbei lief auf einem TV-Bildschirm eine Übertragung aus dem Bundestag. Da Kaeser ja nun mal Zeit hatte, sah und hörte er zu. Hörte, dass die AfD-Politikerin Alice Weidel von "alimentierten Messermännern", "Taugenichtsen" und "Kopftuchmädchen" sprach. Und so twitterte Kaeser: "Lieber Kopftuch-Mädel als Bund Deutscher Mädel". Danach wurde bei Siemens viel darüber diskutiert, ob sich der Chef mit einer AfD-Politikerin anlegen sollte oder ob das eher ins politische Fach gehört. Oder ob Kaeser hier nur als Privatmann getwittert hatte, was natürlich theoretisch möglich ist, wenn das Private vom Geschäftlichen nun nicht so schwer zu trennen wäre.