Jamie Barton und Jake Heggie in der Oper Frankfurt: Sie singt ihr Lied, und alles ist gut
Frankfurter Rundschau
Jamie Barton und Jake Heggie beim Liederabend in der Oper Frankfurt.
Die Stimme der US-amerikanischen Mezzosopranistin Jamie Barton ist von einer Stabilität und Sicherheit, die fast altmodisch wirkt und einen reizvollen Kontrast zu ihren vielfältigen musikalischen Interessen darstellt. Denn sie beginnt beim Liederabend in der Oper Frankfurt ganz allein mit dem kurzen Stück „Music“ ihres Begleiters Jake Heggie und singt sich über Henry Purcells „Music for a While“ zu Franz Schuberts „An die Musik“ vor. Sie überspringt die Jahrhunderte, macht aus allen drei Liedern drei recht unwiderstehliche Jamie-Barton-Songs, die dreimal die Musik als solche feiern. Bei Jake Heggie ist der glückliche Hörer allerdings ein Mann in einer Todeszelle, der einen Kassettenrekorder und Kopfhörer bekommt und die Nacht mit Musik „im Land der Lebenden“ verbringt, wie es im Text heißt.
Man wird nachher wieder daran denken, wenn im zweiten Teil Jake Heggies Zyklus „What I Miss the Most“ zu erleben ist, auf kurze Texte, die Heggie und Barton bei Bekannten anfragten. Naheliegenderweise geht es darum, was sie in der Pandemie am meisten vermissen, und es ist die inzwischen verstorbene Richterin Ruth Bader Ginsburg, die sich nach der Musik sehnt, die viele Menschen gemeinsam im Einklang machen. Ein kurzer, nüchterner Text, eine Musik, die passenderweise einfach nicht mehr aufhören will und auch wirklich sehr lange nicht mehr aufhört. Jamie Barton hat einen langen Atem und Geduld, und sie kann ihre Stimme in einer imposanten Allmählichkeit zum Verschwinden bringen.
Was sie macht, muss man dazu sagen, ist immer große Oper. Dass Schuberts „Gretchen am Spinnrade“ nach Richard Wagner klingen kann: ein seltsames Erlebnis, aber man will dabei gewesen sein.