James Canton: „Biografie einer Eiche“ – Das Gefolge eines alten Baumes
Frankfurter Rundschau
James Cantons „Biografie einer Eiche“ bleibt zu nahe am Tagebuch und der reinen Beobachtung.
Im Norden der englischen Grafschaft Essex steht auf einem Landgut und in einer niedrigen Umzäunung eine 800 Jahre alte Eiche mit Namen Honywood Oak. Bis zu den 1950er Jahren war sie keineswegs prominent, auch nicht eingezäunt, war sie doch umgeben von Hunderten ähnlich alter Eichen. Ein gewisser Thomas Phillips Price, der das Gut 1897 gekauft hatte, hatte in seinem Testament verfügt: „Die Eichen dürfen niemals geschlagen werden.“ Doch in den 50ern kamen Holzfäller, eine ortsansässige Firma namens Mann’s, und fällten alle Eichen bis auf diese eine.
Man kann nicht anders, als mit ihr zu fühlen; auch wenn man selbstverständlich keinerlei Vorstellung davon hat, was so ein Baum fühlen mag. Ihre Geschichte, ihr Alter, ihre singuläre Stellung haben jedenfalls den in ihrer Nähe wohnenden Briten James Canton auf die Idee gebracht, sich immer wieder und bei jedem Wetter bei ihr aufzuhalten, zu beobachten, zu recherchieren, andere Eichen-Freundinnen und -Freunde zu treffen. So sind „The Oak Papers“ entstanden, das den etwas unglücklichen deutschen Titel „Biografie einer Eiche“ trägt.
Etwas unglücklich, weil es die Leserin mit der Nase darauf stößt, woran es dem Buch mangelt: In die Tiefe dieser 800 Jahre zu gehen, zu reflektieren, warum es in den 1950ern zu diesem schrecklichen Raubbau kam, nachzuvollziehen, welche Änderungen es in der Haltung des Menschen zur Natur in der Zeit gab. Canton trägt zusammen, zitiert hier ein bisschen Plinius den Älteren, spricht dort mit einer „verwandten Seele“ (eine seiner Lieblingswendungen). Diese Gespräche sind reich an Gemeinplätzen, wie dass man sich unter dem Sternenhimmel winzig fühlt, und werden so oder so ähnlich zusammengefasst: „Ich nicke. Ich weiß, worauf Sarah hinauswill.“ Schön für James Canton.