
Jack, der Super-Joker
Frankfurter Rundschau
Er spielt immer noch bei seinem Jugendklub, bei der EM kommt er kaum zum Einsatz – dennoch ist der Hype um Jack Grealish riesig in England
Am besten Tag seines Lebens wurde Jack Grealish niedergeschlagen. Seit seiner Kindheit ist er Fan von Aston Villa, dem Klub aus dem Norden Birminghams, er wurde in der Akademie des Vereins ausgebildet, schaffte 2015 den Sprung zu den Profis. Im März 2019 spielte Villa im Stadtderby bei Birmingham City. Für Grealish war es der erste Auftritt im Stadion des örtlichen Rivalen, und das auch noch als Kapitän. Es war eine turbulente, eine außergewöhnliche Partie, bei der die üblichen Grenzen sportlicher Abneigung überschritten wurden. In der ersten Halbzeit lief ein Birmingham-Fan auf den Rasen, attackierte Grealish von hinten und schlug ihn zu Boden. In der zweiten Halbzeit traf Grealish zum 1:0-Endstand. Als Kapitän im Derby das Siegtor zu schießen – daraus seien Träume gemacht, sagte er hinterher grinsend. Der Angriff auf ihn? Für solche Dinge sei natürlich kein Platz im Fußball, aber er habe einfach versucht, weiter seinen Job zu machen, und das sei ja wohl gelungen. Sein Fazit: „The best day of my life!“ Grealish, mittlerweile 25, ist jemand, der sich nichts daraus macht, wenn fast alle gegen ihn sind. Im Gegenteil – er blüht auf unter schwierigen Bedingungen. Er ist ein Draufgänger, ein Rebell, ein fußballerischer Freigeist. In der Vergangenheit machte er immer wieder Negativschlagzeilen mit seinem Betragen neben dem Platz. Er feierte zu lange und zu wild, wurde beim Gebrauch (legaler) Drogen fotografiert und verlor seinen Führerschein. Hätte es mit der Profikarriere nicht geklappt, wäre er wohl Promoter für Nachtklubs auf Teneriffa oder Ibiza geworden, so hat er es gerade gesagt. Viele Beobachter vergleichen Grealish mit Paul Gascoigne. Dieser leistete sich reihenweise Skandale, war aber ein Genie auf dem Rasen. Und genau das, ein Genie, ist auch Grealish – davon jedenfalls sind Fans, Experten und Medien in England überzeugt. Es herrscht einen Hype um den Offensivspieler, seit Anfang der EM schon, und das, obwohl er kaum zum Einsatz kommt. Oder vielleicht gerade deshalb? Weil er kaum zum Einsatz kommt? Die englische Nationalmannschaft spielt nicht berauschend. Ihr Fokus liegt auf einer soliden Defensive. Vielen Fans missfällt das. Sie wollen, dass England mitreißenden Offensivfußball zeigt. Einen Fußball, den Grealish verkörpert. Deshalb fordern sie ihn, rufen seinen Namen. Auch im Achtelfinale zuletzt gegen Deutschland (2:0) war das so. Nach rund einer Stunde schallte dieser Ruf durch das Rund von Wembley: „Super, super Jack! Super Jacky Grealish!“More Related News