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Israel steckt schon wieder in einer Regierungs-Krise
Frankfurter Rundschau
Israels Regierung ist fast genau ein Jahr im Amt. Ein Gesetz könnte nun zum Zerfall des höchst unterschiedlichen Bündnisses führen.
Tel Aviv ‒ Das Acht-Parteien-Bündnis in Israels Regierung um Ministerpräsident Naftali Bennett besteht am Montag (13. Juni) genau ein Jahr. An diesem Tag wird die Regierung jedoch auf eine harte Probe gestellt, die sogar zum Bruch führen könnte. Am vergangenen Montag (6. Juni) bekam ein Gesetz für israelische Siedler keine Mehrheit. Normalerweise wird dieses Recht alle fünf Jahre genehmigt. Dieses Mal ist dies nicht in der ersten Runde gelungen, daher steht am Montag der nächste Versuch an.
Mit dem betreffenden Gesetz soll Siedlern aus dem Westjordanland die gleichen Rechte zugesichert werden wie den anderen Bürgern. Wie die Times of Israel berichtet, könnten kriminelle Israelis nach Auslaufen dieses Gesetzes in das Westjordanland fliehen, ohne eine Strafverfolgung fürchten zu müssen. Außerdem hätten Siedler aus diesen Gebieten Nachteile, was Steuern und die Krankenversicherung betrifft. Von dieser Regelung sind mehr als 600.000 Siedler betroffen. Ohne eine Verlängerung besteht dieses Recht nur noch bis Ende Juni.
Bei der ersten Abstimmung über dieses Gesetz haben auch Mitglieder aus der Regierung dagegen gestimmt. Die Gegenstimmen kamen von der arabischen Partei. Zudem hatte eine Abgeordnete aus Bennetts ultrarechter Jamina-Partei die Koalition zuvor verlassen. Dass eine solche Routineabstimmung derzeit Probleme bereitet, zeigt das Ausmaß der Uneinigkeit in Israels Regierung. Ex-Premierminister Benjamin Netanjahu, der weiterhin Ambitionen auf dieses Amt hat, forderte Bennett deshalb zum Rücktritt auf. Die aktuelle Regierung, ein Spektrum aus linken und rechten Politikern und Politikerinnen versteht sich jedoch als Zweckbündnis gegen den ehemaligen Regierungschef.
Der Politikprofessor Jonathan Rynhold, an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv beschäftigt, geht jedoch nicht davon aus, dass die Regierung auseinanderbricht. „Ich denke, sie wird die nächste Woche überleben.“ Vielmehr werde die Regierung zur Not eine andere Lösung zum Schutz der Siedler finden. Längerfristig könnte das für die Regierung jedoch anders aussehen. „Es wird hart für sie, bis zum Ende der Knesset-Sitzungsperiode am 23. Juli durchzuhalten.“
Rynhold beurteilt die Situation als „festgefahrener, als wir uns das klarmachen“. Eigentlich befürwortet die Opposition das abgelehnte Gesetz inhaltlich ebenfalls. Aus taktischen Gründen haben die Oppositions-Politiker und -Politikerinnen jedoch dagegen gestimmt. Sie wollen damit den Sturz der aktuellen Regierung bewirken. Rynhold geht davon aus, dass Netanjahu nicht genügend Stimmen zusammenbekommen wird, um die Regierung zu übernehmen. Dass ausreichend viele Abgeordnete für eine Auflösung der Knesset stimmen, hält der Politikprofessor für möglich. Dies würde zu den fünften Neuwahlen innerhalb der letzten drei Jahre führen. (Jan Oeftger)