Irans schweigenden Helden drohen nach der WM Konsequenzen
Die Welt
Vor WM-Beginn hatte der Großteil der iranischen Nationalmannschaft noch auf eine Solidarisierung mit den Protesten im eigenen Land verzichtet. Nun setzte das Team ein mutiges Zeichen. Unterstützer des Mullah-Regimes stempelten sie als Verräter ab, die nach dem Turnier Konsequenzen fürchten müssen.
Es war die bislang vielleicht eindrucksvollste Szene dieser Fußball-WM: Während im Khalifa International Stadium von Doha vor dem zweiten Spiel des Turniers die Nationalhymne des Iran abgespielt wurde, stand die Nationalmannschaft auf dem Feld und verweigerte geschlossen das Mitsingen des Textes. Ein ergreifender Moment des Protests, der nicht nur eine iranische Zuschauerin auf der Tribüne zu Tränen rührte. Die Spieler schwiegen – und diesmal auch im richtigen Moment.
In den sozialen Medien wurde die Geste nicht nur als Solidarität mit den seit über zwei Monaten anhaltenden systemkritischen Protesten im Land gewertet, sondern auch als ein Zeichen dafür, dass das Nationalteam gegen die politische Herrschaft sei. Die heimische Presse ignorierte die Geste am Tag nach dem 2:6 gegen England bewusst. In den sozialen Medien und persischsprachigen Nachrichtensendern im Ausland war der stumme Protest der Spieler jedoch weitaus wichtiger als das Spiel und Ergebnis. Nur die Tageszeitung Kayhan, Sprachrohr der Hardliner im Land, bezeichnete die Spieler als Verräter, die sich von den ausländischen politischen Feinden des Landes hätten beeinflussen lassen. Mit Kritik an der sportlichen Leistung hielt sich die Presse im Iran trotz der höchsten Niederlage in der iranischen WM-Geschichte allerdings zurück.