
Infamer Infantino
Frankfurter Rundschau
Der Fußball kann Dinge verändern. Gianni Infantino weiß das, und er missbraucht ihn auf zynische Weise für seine Belange: Macht und Geld. Ein Kommentar
Als Gianni Infantino, der Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, am Mittwoch vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eine Rede hielt, drohte sein Mund- und Nasenschutz immer wieder zu verrutschen. Fast sah es aus, als wolle die Maske vor den Worten fliehen, die da in Straßburg das Gesicht des Schweizers verließen und selbst für Infantino einen neuen Gradmesser in Sachen Hybris, Realitätsferne und Zynismus aufstellten. Wirklich, es war zum Davonspringen.
Also: Am Ende seines Vortrags hatte Infantino über die Pläne referiert, den Rhythmus der Weltmeisterschaft von vier auf zwei Jahre zu verkürzen. Als er über die Vorteile sprach, sagte er auch: „Wir müssen den Afrikanern Hoffnung geben, dass sie nicht über das Mittelmeer kommen müssen, um hier vielleicht ein besseres Leben vorzufinden – aber wahrscheinlich den Tod im Meer. Wir müssen ihnen Möglichkeiten und Würde geben. Nicht indem wir wohltätig sind, sondern indem wir alle teilhaben lassen.“
Tags drauf ließ Infantino mitteilen, seine Aussagen seien „aus dem Kontext gerissen“ und „missinterpretiert“ worden: „Dies war eine allgemeine Bemerkung, die sich nicht direkt auf die Möglichkeit bezog, alle zwei Jahre eine WM auszutragen.“ Was im Grundsatz nichts an der hanebüchenen Behauptung des Fifa-Bosses änderte, die Balltreterei sei in der Lage, mit Angeboten geopolitische Probleme zu beheben. Der Fußball als Heiler der Welt: längst ein Klassiker des Fifa-Größenwahns.
Die Expansionspläne Infantinos entspringen sicherlich nicht humanistischen Überlegungen, sondern sie zielen in erster Linie darauf ab, die Profite des Weltverbandes zu maximieren. Zu suggerieren, ein Fußballturnier alle zwei Jahre könne das Leid von Menschen irgendwie lindern, ist nichts anderes als eine schlimme Verharmlosung katastrophaler Fluchtursachen. Die Menschen riskieren auf der Flucht ihr Leben, weil Hunger, Armut und massive Unterdrückung in ihren Heimatländern sie dazu zwingen. Nicht, weil die Fifa vergessen hat, genügend Kunstrasenplätze bauen zu lassen, oder die WM so selten stattfindet.
Zumal so eine WM ja alles andere als ein Vergnügen ist für ärmere Ausrichtungsländer. Die Fifa streicht unversteuerte Gewinne von schätzungsweise zweieinhalb Milliarden Euro ein, während das gastgebende Land für die streng regulierte Infrastruktur aufkommen muss. Bei der WM 2014 in Brasilien führte dies zum Beispiel zur Zwangsumsiedlung von 20 000 Familien.