In der „Goldkammer Frankfurt“ werden private Städte geplant – exklusiv und antidemokratisch
Frankfurter Rundschau
Libertäre Unternehmen wollen den Staat aus der Stadt verbannen und einer ausgewählten Kundschaft rechtliche Privilegien bieten. Der Markt soll alles regeln – im Interesse des Profits.
Frankfurt – In der „Goldkammer Frankfurt“ glänzt sogar die Projektionsfläche für Vorträge. Darauf zu sehen sind Skizzen einer privaten Stadt. Sie soll etwa 200 Hektar groß werden, in einem afrikanischen Land liegen und ihre Tore nur für eine besondere Klientel öffnen. Die Zuhörerschaft beim Vortrag besteht hauptsächlich aus weißen Männern. Titus Gebel stellt das Projekt einer Privatstadt vor oder wie er es lieber nennt: einer Sonderentwicklungszone. Das Vorhaben schreite voran, mit einem Politiker der Regierungspartei des Landes, das Gebel nicht nennt, seien Gesetz und Vertrag zum „Staat im Staat“, wie es der ominöse Politiker genannt haben soll, bereits ausgehandelt. Bis zum Ende des Winters sollten formelle Vorarbeiten abgeschlossen sein, sagte Gebel.
Die „Geld-Konferenz“ in der „Goldkammer Frankfurt“ wurde im September 2021 ausgerichtet von der Atlas-Initiative, hinter der Markus Krall steckt. Krall ist auch Geschäftsführer von Degussa Goldhandel. Die Frankfurter Rundschau hat während der Recherchen für diesen Artikel sowohl Titus Gebel als auch Markus Krall Fragen gemailt. Beide ließen über Anwälte mehrseitig antworten, doch öffentlich zitieren lassen wollen sie sich nicht. Weltweit sind derzeit mehrere Privatstadt-Projekte in der Entwicklung oder im Bau, unter anderem in Honduras. Die Firma, für die Titus Gebel die Projekte vorantreibt, heißt Tipolis, die Kontaktadresse befindet sich in Panama.
Das Vorgehen bei diesen Projekten ähnelt sich. Die Privatstadt-Firmen gingen gezielt „auf kleine Staaten zu“, wie Titus Gebel freimütig ausführte. In solchen politisch vergleichsweise schwachen Staaten sollen also die exklusiven Orte entstehen. Parallel werden Tochtergesellschaften in wirtschaftlichen Partnerländern dieser kleinen Staaten aufgebaut. Der Grund: Sollte es zwischen der Privatstadt und dem Land, auf dessen Fläche die Privatstadt sich befindet, einen Konflikt geben, kann das Privatstadtunternehmen mit internationalen Schiedsgerichtsverfahren drohen. Einige wenige Bewohner:innen in einer Privatstadt hätten somit viel Macht gegenüber einem ganzen Land.
Die Projektstadt, die Gebel in Frankfurt vorstellte, war noch namenlos. Die Umrisse der Landkarte dienten als ein Indiz, um herauszufinden, wo es sich befinden soll. Nach einem Aufruf von mir auf Twitter machten Nutzerinnen und Nutzer binnen einer Stunde anhand der Küstenlinien den Inselstaat aus, in dem die Privatstadt entstehen soll: Demnach handelt es sich um den Nordwesten der Insel São Tomé des afrikanischen Kleinstaates São Tomé und Príncipe.
Mit diesen Informationen ließen sich weitere Puzzleteile finden. Das auf Wirtschafts- und Politiknachrichten spezialisierte Fachportal „Africa Intelligence“ berichtete im Mai 2021 von der Firma „STP Prosperity“ auf Mauritius, mit der Titus Gebel eine Privatstadt gründen wolle. Mauritius ist einer von drei Staaten, mit denen São Tomé und Príncipe (STP) ein Investitionsschutz-Abkommen hat.