Im Kongo droht ein neuer Völkermord
n-tv
29 Jahre nach dem Genozid in Ruanda sehen sich Tutsi erneut als Opfer systematischer und gezielter Verfolgung, dieses Mal in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo.
Derzeit zirkulieren in den sozialen Medien grausige Fotos und Videos aus dem Kongo: verstümmelte Leichen im Gras, gefesselte Männer zusammengepfercht in einem Loch. Auf einem Video liegt ein Mensch nackt auf dem Boden, er wird von einer Meute mit Macheten verstümmelt; auf dem nächsten Video stopft sich einer der Männer Fleisch in den Mund und sagt: "Wir essen die Ruander mit Brot."
Die Grausamkeiten, die derzeit an der Tutsi-Minderheit im Kongo begangen werden, erinnern an den Völkermord in Ruanda 1994. Der Beginn dieses Massenschlachtens, bei dem innerhalb von 100 Tagen rund eine Million Tutsi getötet wurden, hat sich am 6. April zum 29. Mal gejährt. Droht fast drei Jahrzehnte später ein weiterer Völkermord an der Tutsi-Minderheit - nur dieses Mal in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo?
Die UN-Sonderbeauftragte zur Genozidprävention, Alice Wairimu Nderitu, erklärte Ende 2022 nach einer Kongo-Reise, sie sei "zutiefst beunruhigt". Die aktuelle Gewalt sei ein "Warnsignal". David Karambi, Vorsitzender der Tutsi-Gemeinschaft in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, wo die meisten Tutsi leben, sagt: "Der Völkermord ist schon im vollen Gange." Er verweist auf eine lange Liste voller Namen von Tutsi, die im vergangenen Jahr Opfer von Gewalt wurden. Fast täglich müsse er seine Liste aktualisieren, er komme schier nicht hinterher. Erst am Vorabend hätten Agenten des Militärgeheimdienstes in der Provinzhauptstadt Goma in Nord-Kivu eine Bar gestürmt, in welcher Tutsi gerne Bier trinken. Am Tag zuvor seien 34 Tutsi verschleppt worden und spurlos verschwunden. "Es geht nicht nur um die reine Zahl von Opfern", erklärt er. "Von all diesen Taten geht die Botschaft aus: Wir wissen, wo ihr seid!" Ob Restaurants, Bars, Kirchen, Supermärkte - überall dort, wo sich Tutsi gewöhnlich treffen, sei die "Menschenjagd" eröffnet.